Die widersprüchlich klingenden Ergebnisse einer Leipziger Studie sind Spiegelbild einer verunsicherten Gesellschaft in Zeiten von Ukraine-Krieg und Corona. Wie verbreitet sind rechtsextreme und demokratiefeindliche Einstellungen in Deutschland? Eine ausführliche Antwort auf diese Frage findet sich in der Studie “Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten” der Universität Leipzig. Seit 2002 findet die repräsentative Umfrage statt. Alle zwei Jahre will ein Team um Oliver Decker und Elmar Brähler vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung wissen, wie stabil das politische System ist. Gute und schlechte Nachrichten aus dem Osten Dieses Mal ist das Fazit zwiespältig – es hat Licht und Schatten: “Die Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen nimmt nicht nur im gesamten Bundesgebiet ab, sondern insbesondere in Ostdeutschland.” Nur noch zwei Prozent der Ostdeutschen zeigten ein geschlossenes, rechtsextremes Weltbild im Sinne einer neonationalsozialistischen Ideologie. 2020 seien es noch rund zehn Prozent gewesen. “Das ist eine gute Nachricht, aber nur das halbe Bild”, betont Studienleiter Decker. Denn gleichzeitig hätten Ressentiments gegen jene, “die als ‘anders’ empfunden werden, sogar zugenommen”, ergänzt Kollege Brähler. Demnach ist der Prozentsatz der “manifest ausländerfeindlich” eingestellten Menschen in Ostdeutschland von 27,8 Prozent auf 31 Prozent gestiegen. In Westdeutschland ist er im gleichen Zeitraum von 13,7 Prozent auf 12,6 Prozent gesunken. Zwei von fünf Ostdeutschen meinen, Deutschland sei “durch die vielen Ausländer überfremdet”. So sieht es auch fast ein Viertel der Westdeutschen. (…) Auch die Zustimmung zu antifeministischen Aussagen ist hoch. So teilen 27 Prozent der Befragten die Auffassung, dass Frauen, “die mit ihren Forderungen zu weit gehen, sich nicht wundern müssen, wenn sie wieder in ihre Schranken gewiesen werden”. Studienleiter Decker registriert insgesamt eine Verschiebung der Motive antidemokratischer Einstellungen, “nicht eine Stärkung der Demokratie”. Neben der Ausländerfeindlichkeit hätten Rechtsextreme heute viel mehr Möglichkeiten, “in der Mitte der Gesellschaft Anschluss zu finden, nicht weniger”.

via dw: Deutschland paradox: weniger rechtsextrem, aber ausländerfeindlicher