Die Attentäter bombten sich durch eine Feindesliste, bis sie von “Kameraden” verraten und in eine Falle gelockt wurden. Eine gewaltige Detonation schreckte an jenem Freitagabend um 22.37 Uhr in Wien-Döbling viele Anrainerinnen und Anrainer aus dem Schlaf. Vor der Eingangstür Simon Wiesenthals in der Mestrozzigasse 5 war ein Sprengsatz explodiert. Dutzende Fensterscheiben zersplitterten, die Eingangstür wurde nach innen gedrückt. Verletzt wurde niemand. (…) Dieses am 16. Juni 1982 durchgeführte Attentat war der Höhepunkt einer antisemitischen Terrorwelle, die vor 40 Jahren durch Österreich zog. Akiba Eisenberg, der erste Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien nach dem Zweiten Weltkrieg, war ebenso ein Ziel eines Sprengstoffanschlags wie der Schriftsteller und Journalist Alexander Giese oder Filialen der Bekleidungskette Schöps, deren Besitzer ein Jude war. Alle Ziele befanden sich ausnahmslos auf einer Feindesliste, die der Zeitschrift “Österreichischer Beobachter – Kampfblatt der NSDAP (Hitlerbewegung) in Österreich” beigelegt worden war. Offensichtlich bombten sich Neonazis durch diese Liste. (…) Knapp zwei Monate nach dem Anschlag auf das Wohnhaus von Wiesenthal wurde schließlich einer der mutmaßlichen Attentäter verhaftet: Ekkehard Weil, ein mehrfach wegen Gewalttaten vorbestrafter deutscher Neonazi. Ihm kam nicht die Polizei auf die Spur, sondern er wurde verraten. Norbert Burger, eine zentrale Person des Rechtsextremismus in Österreich nach 1945, lieferte Weil an die Polizei aus, er half sogar mit, den Attentäter in eine Falle zu locken, damit dieser verhaftet werden konnte, wie aus der Zeugenaussage Burgers hervorgeht. Der Polizei sagte Burger, Weil habe sich gegenüber anderen Neonazis zu den Anschlägen auf Eisenberg, Wiesenthal, Giese und die Schöps-Filialen bekannt. (…) Neben Weil und seinen Komplizen wurde auch anderen Neonazis der Prozess gemacht. Sie standen allerdings nicht wegen der Bomben, sondern wegen NS-Wiederbetätigung vor Gericht. Sie liefen mit SS-ähnlichen Uniformen durch die Gegend, leugneten die Shoah und ließen an ihrer politischen Überzeugung wenig Zweifel. Einer von ihnen war Gottfried Küssel, der heute als Säulenheiliger der Neonazi-Szene gilt und bei Corona-Demonstrationen in Wien und Eisenstadt mitmischt. Jene Angeklagten, die damals “nur” wegen NS-Wiederbetätigung vor Gericht standen, fassten sehr milde (bedingte) Haftstrafen aus. Einige zogen sich danach aus der Szene zurück. Am 2. April 1984 wird Weil zu fünf Jahren Haft verurteilt. Sein Komplize, der Salzburger Attila B., bekommt drei Jahre für die Beteiligung an einem Anschlag sowie einem Einbruch in ein Sprengstoffdepot und Wiederbetätigung. Ein weiterer Mann, der ebenfalls am Diebstahl des Sprengstoffs beteiligt war, erhielt zweieinhalb Jahre Freiheitsentzug. (…) Die Prozesse brachten nur wenig über das Umfeld und Netzwerk von Weil und B. ans Tageslicht. Aber immerhin wurde bekannt, dass B. bei der deutschen Wehrsportgruppe Hoffmann trainierte, die als Keimzelle der Durchlaufstation des bundesdeutschen Rechtsterrorismus gilt. Das ehemalige Mitglied Gundolf Köhler verübte am 26. September 1980 in München das Oktoberfestattentat, den bisher schwersten Terroranschlag der bundesdeutschen Geschichte. 13 Personen wurden dabei getötet und 221 verletzt. Mindestens zwei Personen aus Österreich waren im Förderverein der Wehrsportgruppe.

via standard: Ziel Simon Wiesenthal: Vor 40 Jahren überzogen Neonazis Österreich mit einer Bombenwelle