Eigentlich müsste die Szene der Verschwörer:innen bald an Bedeutung verlieren: Dann nämlich, wenn Corona endemisch wird. Aber der Ukraine-Krieg bietet für sie eine neue Chance. Was viele nicht wissen: Russlands Präsident Wladimir Putin ist ein sehr beliebter Mann an Orten, an denen sich Corona-Verharmloser:innen austauschen. Das ist kein Zufall. Eine, die sich sehr gut mit diesem Thema auskennt, ist die Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig. Brodnigs Kernthemen sind Digitalisierung, Desinformation und Hasskommentare. Ich habe mit ihr gesprochen: Darüber, warum der Ukraine-Krieg für Impfgegner:innen und Querdenker:innen eine Chance ist, weiter Einfluss zu haben. Wie man mit verunsicherten Freund:innen und Verwandten spricht. Und warum „Flood the zone with shit” eine wichtige Strategie im Informationskrieg ist. Es gibt in Corona-skeptischen Gruppen auffallend viel Putin-Propaganda. Warum ist das so? Eine Sache ist zunächst wichtig zu verstehen: Es wäre ein Fehler, die vehement Corona-skeptische Szene rein als „Corona-Szene” zu bezeichnen. Diese Szene hatte von Anfang an bestimmte Feindbilder und Ideen: Dass wir etwa von Politiker:innen betrogen werden, und dass die sogenannten „Mainstream-Medien“ lügen. Das Selbstverständnis dieser Szene ist: Ich gehöre zu einer kleinen Minderheit, die die Wahrheit besser verstanden hat als der Rest. Es ging nie nur ums Virus, sondern um eine radikale Opposition zur Gesellschaft und zu Eliten. Diese Feindbilder kann man jetzt wunderbar nutzen, um Putin-Propaganda zu streuen.
Wer tut das? Da muss man unterscheiden: Es gibt Leute, die wirklich vehement pro Putin posten, manche kommen aus der verschwörungsaffinen Szene, manche sind aus der rechten Szene, manche sind wohl bezahlte russische Trolle. Und dann gibt es auch Durchschnitts-Bürger:innen, die mit einigen russischen Erzählungen liebäugeln, weil sie sehr USA- und NATO-kritisch sind. Da besteht auch die Gefahr, dass unhinterfragt Falschmeldungen übernommen werden. In der Praxis kann man oft nicht unterscheiden, ob man es mit einer realen Person in Düsseldorf zu tun hat oder mit jemandem in St. Petersburg, der Kreml-affine Kommentare bei Zeitungen in Europa hinterlässt, um diese Narrative breiter sichtbar machen. Das ist oft ein Rätselraten. Aber was wir sehen, ist, dass reale Menschen aus Deutschland die Putin-affinen Inhalte aus freien Stücken weiter verbreiten.
via krautreporter: Warum Putin bei Corona-Skeptiker:innen so beliebt ist