Die Bundesinnenministerin hat im vergangenen Jahr einen Gastbeitrag für das Magazin der VVN-BdA geschrieben. Die aktuelle Kampagne gegen sie trat eine neurechte Postille los. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat nach Meinung von Unions- und AfD-Politikern sowie Springer-Medien schwer gesündigt: Kaum hatte sie zwei Drohbriefe mit der Unterschrift “NSU 2.0” erhalten, schrieb die damalige hessische SPD-Fraktionschefin in einem Gastbeitrag für das Magazin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), dass sie vor solchen Drohungen nicht zurückweichen werde. Zur Begründung führte sie in dem Beitrag vom 3. Juli 2021 an: Der Kampf gegen Faschismus und Rechtsextremismus, gegen Rassismus und völkische Ideologien gehört zur politischen DNA meiner Partei, der SPD. Er gehört zu meiner politischen Arbeit als Mitglied des Hessischen Landtags. Und er muss zum Alltag jedes Demokraten und jeder Demokratin gehören, weil Freiheit und Demokratie jeden Tag aufs Neue gegen ihre Feinde verteidigt werden müssen. (Nancy Faeser, 3. Juli 2021). Skandalisiert wird nun weniger der Inhalt als der Ort der Veröffentlichung: Ein “verfassungsfeindliches Blatt” sei das, meinte Bild am Samstag online und zitierte aus dem bayerischen Verfassungsschutzbericht sowie Aussagen von gleich drei empörten Unionspolitikern, um den vermeintlichen Skandalwert zu unterstreichen. Auslassungen, die das Gesamtbild verzerren. Verschwiegen wurde dabei, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz als bundesweit einziges auf die Idee gekommen war, die VVN-BdA in seinem Jahresbericht als “linksextremistisch beeinflusst” zu brandmarken. Verschwiegen wurde auch, dass es deshalb bereits eine Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA gab, die im April 2021 zu deren Gunsten entschieden wurde. (…) Tatsächlich strebt die 1947 als VVN gegründete Organisation möglichst breite gesellschaftliche Bündnisse an. Die Beteiligung von Mitgliedern der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) ändert nichts an diesem parteiübergreifenden Charakter. Das Berliner Finanzamt befand die eidesstattliche Erklärung nach eingehender Prüfung dann auch für plausibel und sah die Behauptung des bayerischen Verfassungsschutzes als “widerlegt” an. Gleichwohl brühten Bild und Welt aus dem Hause Springer nun die alte Unterstellung wieder auf. Verschwiegen wurde dabei auch, wer zuerst versucht hatte, einen Skandal aus dem Gastbeitrag der SPD-Politikerin zu machen: Die neurechte Zeitung junge Freiheit war ein paar Tage früher dran gewesen, mit ihrer Story “Nancy Faeser und die ‘Antifa‘”. Das Blatt schrieb am 2. Februar, Antifa stehe “heutzutage vor allem für den gewaltbereiten und militanten Arm des Linksextremismus”; antifa sei aber auch der Name der Verbandszeitschrift der VVN-BdA. (…) Radikal links ist die Ministerin also ganz sicher nicht – aber für den Geschmack mancher Unionspolitiker steht sie schon wegen ihres Engagements gegen offen faschistische Umtriebe innerhalb Deutschlands viel zu weit links im politischen Koordinatensystem. (…) Nun, Faeser war jahrelang Obfrau im Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags zur Mord- und Anschlagsserie des “Nationalsozialistischen Untergrund” (NSU). Dort musste sie Verfassungsschutzmitarbeitern, die möglicherweise mit den Mördern auf Tuchfühlung waren, ständig unangenehme Fragen stellen. Auf deren Gefühlswelt Rücksicht zu nehmen, wäre nicht im Interesse der Aufklärung gewesen. Dass sie von Geheimdienstlern, die tief in den NSU-Skandal verstrickt waren und bis heute mauern, nicht geliebt wird, dürfte ihr klar sein.

via tp: Bild, AfD und Co. gegen Nancy Faeser: Antifaschismus als Sündenfall

siehe auch: »Antifa«-Gastbeitrag – FDP und Linke springen Nancy Faeser bei. Unionspolitiker attackieren SPD-Innenministerin Nancy Faeser, weil sie 2021 einen Text im Magazin »Antifa« veröffentlicht hat. Die FDP verteidigt die Koalitionskollegin – mit einer Spitze gegen die Konservativen. (…) Zuerst hatten die neurechte »JF« und im Anschluss die »Bild« darüber berichtet. (…) Der Koalitionspartner FDP dagegen stärkt der Innenministerin den Rücken. Der »Welt am Sonntag« sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle: »Der Text eignet sich hervorragend als Lektüre für CDU- und CSU-Innenpolitiker, die die Gefahr des Rechtsextremismus jahrelang unterschätzt haben.« Außerdem habe die Union »dem Treiben eines gefährlichen Verschwörungsideologen an der Spitze des deutschen Inlandsnachrichtendienstes keinen Einhalt geboten«. Damit spielt Kuhle auf den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, an. (…) Der Grünenpolitiker Sven Kindler schrieb: »Die CDU/CSU-Innenminister vor Faeser haben jahrelang Hans-Georg Maaßen und seine Machenschaften als Präsident des Verfassungsschutzes gedeckt. Die Erwähnung des VVN-BDA im Verfassungsschutzbericht in Bayern ist das eigentliche Problem, über das diskutiert werden sollte.« Der SPIEGEL hat diese Woche gerade erst aufgedeckt, wie Maaßen während seiner Amtszeit als Chef des Bundesverfassungsschutzes neue Gefahren von rechts ignorierte und die Beobachtung der AfD ausbremste.

archive is 5dwnP. Originaltext: https://antifa.vvn-bda.de/2021/07/03/nsu-2-0-aufgeklaert/ – Mitglied werden https://vvn-bda.de/mitglied-werden/