Telegram, Messengerdienst und Netzwerk mit öffentlichen Kanälen, ist das zentrale Vernetzungstool der antidemokratischen Coronaleugner*innen-Proteste. Wie verschiedene antidemokratische Szenen dabei zusammenschmelzen, zeigt sich exemplarisch an einem Aktivisten, der sich als Techniker der Bewegung versteht. Ein Blick auf die Methoden. Für viele Teile der rechtsextremen Szene – und andere demokratiefeindliche oder kriminelle Gruppierungen – ist das Netzwerk Telegram ihr Hort der „Meinungsfreiheit“ (gemeint sind: Bedrohungen, Gewaltverabredungen, Desinformationen, strafbare Inhalte straflos verbreiten u.ä.). Doch hier versammeln sich seit etwa 2018 nicht nur diejenigen, die auf großen Plattformen wie Facebook, Twitter oder YouTube gesperrt werden, sondern auch alle, die dies kommen sehen oder der Zustimmung der Netzwerke zu einem demokratischen und faktenbasierten Grundkonsens von Kommunikation misstrauen. Eine heute veröffentlichte Recherche von t-online und Kontraste zeigt nun exemplarisch: Hinter solchen Entwicklungen stehen in sozialen Netzwerken manchmal nur wenige Menschen, die ihr Knowhow und ihr Engagement dafür nutzen, um politische und lebensweltliche Agitation möglich zu machen. Im Bericht ist das Frank aka „Frank der Reisende“, der als Admin und Betreuer laut Eigenangabe im Interview rund 4.000 Gruppen und Kanäle bei Telegram betreut. Darunter sind seit 2020 auch zahlreiche „prominente“ Kanäle aus dem Querdenken-Coronaleugner*innen-Kosmos. Nach eigener Ansicht organisiert er größere Teile des deutschsprachigen Netzwerks auf Telegram – was offenbar auch zutrifft. Er präsentiert sich im Interview als „Techniker“, der vor allem „Knowhow“ zur Verfügung stelle. Fragen zu politischen Einstellungen beantwortet er nicht gern. Allerdings zeigt sich die auch in seinem Handeln – offline und online. Und da „Frank der Reisende“ offenbar ideologisch vielfältig antidemokratisch bis rechtsextrem interessiert ist, ist er nicht nur eine interessante Fallstudie, sondern auch ein wichtiger Vernetzungspunkt zwischen den verschiedenen antidemokratischen und rechtsalternativen Szenen, die bei den Coronaleugner*innen-Protesten auch gemeinsam auf der Straße stehen. Der Weg der Radikalisierung Betrachtet man seinen politischen Werdegang, scheint er geradezu prototypisch. Die frühen Jahre beschreibt eine zweite, heute veröffentlichte Recherche von der Website „Anonleaks“: 2014 wendet sich Frank dem verschwörungsideologischen Montagsmahnwachen-Milieu zu, teilt – damals noch auf Facebook – als erste politische Statements Videos von „KenFM“. 2016 teilt er antisemitische Inhalte über „die Rothschilds“ als „Strippenzieher“, interessiert sich für antisemitisch-verschwörungsideologische Bilderberger-Demonstrationen. Ebenfalls 2016 fängt er an, Beiträge zu teilen, Deutschland sei kein souveräner Staat (Reichsbürger-Ideologie). Bis 2017 besitzt „Frank der Reisende“ verschiedene Jobs, u.a. einen Computerladen und eine alte Mühle, die er mit seiner Mutter zum Ausflugslokal umbauen will. Die Mühle wird 2019 zwangsversteigert. Er betreibt 2017 eine Website namens „Deutsche Patrioten“. Ab 2018 wird er online QAnon-Propagandist mit einem bis heute aktiven, großen Channel auf Telegram. Er besitzt einen „druidischen Ausweis“, den er auch im Internet verewigt hat. Die schon erwähnte Recherche von t-online und Kontraste ergänzt und schließt an: Frank war in einem Reichsbürger-„Netzwerk der Staatsangehörigen“ aktiv. Auf Facebook warb er 2016: „Hier findet ihr jede Menge Gleichgesinnter, wacht auf, vernetzt euch.“ Er nennt sich, wenn nicht „Frank der Reisende“, auch „A. d. F. (aus der Familie) Schreibmüller“. Eine solche Namensgebung ist Reichsbürger-typisch. Frank hat bereits 2018 auf Telegram ein Netzwerk für Gelbwesten in Deutschland aufgebaut, in dem vom Umsturz geträumt wurde.
Für die NPD hat er 2018 deren „Schutzzonen“-Bürgerwehr-Idee bewerben wollen, „bitte eröffnet dafür eine Telegramgruppe und oder einen Kanal, dann kann ich es bewerben“, schrieb er. Einen Fackelmarsch der Neonazi-Partei „III. Weg“ in Plauen 2019 hat er per Telegram beworben und ist auch selbst mitgelaufen, hinter dem Front-Transparent „Multikulti tötet“. In München ist er 2019 mit einer Gruppe und in gelber Weste in eine Asylbewerberunterkunft eingedrungen. Ermittlungen deshalb laufen noch. Andere aus seiner Gruppe trugen Jacken der inzwischen verbotenenen rechtsextremen Gruppierung „Wodans Erben“. Gut bekannt war er mit dem Anführer in Bayern, Frank H., der seit Dienstag in Stuttgart mit elf anderen Mitgliedern der „Gruppe S.“ vor Gericht steht, die u.a. auf einen Schlag alle Politiker im Reichstag ausschalten wollten. Im Februar 2019 forcierte er eine Kampagne: „WhatsApp zu Telegram“, bietet Grafikvorlagen, die den Wechsel erklären: „In WhatsApp wird die nächste Revolution an dir komplett vorbeigehen.“ Keine Revolution ohne Telegram – das ist die Botschaft. Michael Ballweg, dem „Querdenken“-Gründer, hat er er nach eigenen Angaben Telegram erklärt. Frank ist im Team von Alexander Ehrlich, dem Mann, der „Honk for Hope“ („Hupen für Hoffnung“) gegründet hat und der zuerst Busreisen zu Demos organisierte und längst Demos selbst organisiert.
Auch für Xavier Naidoo, Sänger und Anhänger der Verschwörungsideologie von QAnon, hat er Telegram-Kanäle angelegt und moderiert. Für die „Organische Christus-Generation“, eine Sekte des Schweizer Laienpredigers Ivo Sasek, hatte er Kanäle angelegt, auch für den sekteneigenen Sender klagemauer.tv, der viele Verschwörungserzählungen im Programm hat. Die Sekte lud ihn 2019 zur „Anti-Zensur-Koalition“, einem jährlichen Stelldichein für rechte Esoterik, Verschwörungstheorien, Antisemitismus, Rassismus und Geschichtsrevisionismus. Frank gibt sich friedlich und freundlich, doch in seinen zahlreichen Kanälen schlägt er andere Töne an. Er schreibt unter anderem, man solle Maskenautomaten sprengen, Politikerinnen oder Bankerinnen in „tiefe Löcher“ werfen, oder er könne nicht über die Ziele von „Querdenken“ sprechen: „Sonst kommt keiner mehr, und die Mainstreammedien zerreißen dich in der Luft.“
Viele Milieus in einer Person vereint Es entsteht also ein Bild eines über Verschwörungsideologien radikalisierten Menschen, der inzwischen von rechtsextremer Ideologie durchdrungenen Menschen ist. Deshalb versucht er, sich die erfolgsversprechendsten Kanäle zu suchen, um das politische System der parlamentarischen Demokratie in Deutschland abzuschaffen. Hierbei fühlt er sich in den rechtsextremen Verschwörungsideologien des „Reichsbürger“-Milieus ebenso zu Hause wie in rechtsextremer Esoterik, handelt ohne Berührungsängste zu rechtsextremen Parteien, sucht aber doch den Weg einer Einflussnahme auf größere Teile der Bevölkerung über „gemäßigtere“ Outlets der Demokratiefeindlichkeit wie den letztendlich erfolglosen „Gelbwesten“ und schließlich der „Querdenken“- und „Coronaleugner*innen“-Bewegung. Er selbst wiederum beschreibt sich 2019 übrigens „unpolitisch“ so, mit viel Esoterik, als „EDV-Spezi“ und mit einer Anspielung, einem Dogwhistle auf die QAnon-Ideologie ganz am Schluss.
via belltower: „Frank der Reisende“ – EIN MANN ORGANISIERT DEN HASS AUF TELEGRAM
siehe auch: Rechte Telegram-Gruppen. Telegram hat sich zu einem Hort für Corona-Leugner und rechte Propaganda entwickelt: Über den Dienst vernetzt und mobilisiert sich die Szene. Nach Kontraste- und “t-online”-Recherchen scheint ein Mann dabei eine zentrale Rolle zu spielen. Bei der Vernetzung von Rechtsradikalen und Coronaleugnern im Messengerdienst-Telegram spielt ein Nutzer offenbar eine herausragende Rolle – dies ergibt sich aus einer Datenanalyse, die dem ARD-Politikmagazin Kontraste und “t-online” exklusiv vorliegt. (…) Der Nutzer, der aus diesen Datensätzen durch seine Aktivitäten herausragt, nennt sich “Frank der Reisende”. Der Mann, der mit bürgerlichem Namen Frank Schreibmüller heißt, sieht sich als “Netzwerker und technischer Administrator” und ist an bis zu 4000 “Projekten” – also Telegram-Gruppen und -Kanälen – beteiligt, wie er im Interview mit Kontraste und “t-online” erklärt.Die Inhalte in den Gruppen sind teils rechtsradikal, teils rechtsextrem oder propagieren Verschwörungsmythen. Telegram-Gruppen, bei denen Frank Schreibmüller eine bedeutende Rolle spielt, nennen sich beispielsweise “querdenken”, “Patrioten-Chat” oder “Die BRD ist kein Staat”. (…) Auch für Prominente wie Xavier Naidoo legte Schreibmüller Telegram-Kanäle an, bespielte sie mit Inhalten. Später habe Naidoo dann den Kanal übernommen und selbst Inhalte dort verbreitet. Schreibmüller veröffentlicht dort jedoch auch weiterhin eigene Beiträge, beispielsweise einen Aufruf zu einer Sitzblockade vor dem Bundestag.Selbst Promis wie Nena werden auf Inhalte aufmerksam, die in Telegram-Kanälen gepostet werden, die Schreibmüller betreut. Die Sängerin verbreitete ein Dankesvideo eines rechten Aktivisten für die Teilnehmer einer gewalttätigen Querdenken-Demo in Kassel auf ihrem Instagram-Kanal. So erreichen Inhalte aus rechten Telegram-Kanälen ein neues Publikum in der Mitte der Gesellschaft.Organisator wird als Rechtsextremist eingeschätzt”‘Frank, der Reisende’ ist uns seit einigen Jahren bekannt. Er hat seine Karriere begonnen, nach unserer Einschätzung, im Bereich der Reichsbürgerschaft. Und hat sich dann fortentwickelt. Nach den letzten Erkenntnissen muss ich davon ausgehen, dass er in der Zwischenzeit ein Rechtsextremist geworden ist”, erklärt Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, im Interview mit Kontraste.Tatsächlich finden sich szenetypische Äußerungen von Schreibmüller auf Telegram. Im “Patrioten-Chat” behauptet er in einer Sprachnachricht: “Der Holocaust hat nicht so stattgefunden, wie man ihn uns weißmachen will.”; «Frank der Reisende»: Dieser Mann vernetzt auf Telegram die Umsturzideen. Auf Telegram gärt der Protest gegen Corona-Massnahmen und «das System». t-online und das ARD-Magazin «Kontraste» haben eine Schlüsselfigur gefunden: den Mann, der hinter Tausenden Kanälen und Gruppen steckt. Frank friert. Der kalte Wind lässt das Sweatshirt an seinem knochigen Körper flattern, und dazu fliegen ihm Fragen um die Ohren, mit denen er nicht gerechnet hat. Die Sonne schien noch und es war warm, als er begonnen hatte, von Licht, friedvollen Absichten und dem Besten für alle Menschen zu erzählen. Aber Frank Schreibmüller ist nicht irgendwer: Er drang mit mutmasslichen Rechtsterroristen in eine Asylunterkunft ein und ist für Thüringens Verfassungsschutz selbst Rechtsextremist, er war Hochzeitsgast bei einem Sektenführer, er kooperierte mit der Anführerin des Sturms auf die Reichstagstreppen und unterstützte bei der Aktion DDay2.0 die Organisation von Blockaden auf der Autobahn.