In Telegram-Chatgruppen wird behauptet, ein internes Papier des Bundeskriminalamts belege: Die Gewalt auf Querdenken-Demonstrationen gehe hauptsächlich von Links aus. Das ist aus dem Zusammenhang gerissen. Ein #Faktenfuchs. Ein internes BKA-Dokument benennt klar, dass unter den Teilnehmern von Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen Personen aus der rechten Szene sind und antisemitische Verschwörungen und Ressentiments verbreitet werden. In sozialen Netzwerken und Telegram-Chatgruppen kursiert dagegen seit Dezember die Falschbehauptung, dass das interne Papier des Bundeskriminalamts vermeintlich aufdecke, die Gewalt auf Demonstrationen der sogenannten Querdenker-Bewegung gehe hauptsächlich von linksextremen Gruppen aus. Das Papier entlaste angeblich die Teilnehmer der Corona-Protestbewegung vom Vorwurf, extremistisch zu sein. Das stimmt so nicht und ist eine verkürzte Darstellung dessen, was dieser interne BKA-Bericht beschreibt. (…) Veröffentlicht wurde der Bericht Anfang Dezember auf der Internetseite eines Vereins aus dem “Querdenker”-Spektrum. Auf der Internetseite wird beschrieben, dass man Menschen dazu ermutigen wolle “bisher unbekannte, aber für die Gesellschaft hoch relevante Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen”. Bis vor kurzem konnte das Dokument laut Aussage des Vereins von der Internetseite heruntergeladen werden. Dem BR24-#Faktenfuchs wurde das Dokument von einem BR-Kollegen zur Überprüfung zugesandt, abgelegt im digitalen Archiv “wayback machine”, einer Art Plattform, auf der Webseiten gespeichert werden können. Der Bericht ist eine Gefährdungsbewertung des BKA. Bei einer Gefährdungsbewertung erfolgt laut BKA “die systematische Auswertung und Bewertung von Gefährdungshinweisen und -sachverhalten sowie die Erstellung von Gefährdungslagebildern”. Das heißt: Die Behörde beobachtet und erfasst Hinweise auf Gefährdungen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität und leitet Erkenntnisse an andere Sicherheitsbehörden weiter, etwa an das übergeordnete Bundesinnenministerium, den Bundesnachrichtendienst, den Generalbundesanwalt, das Bundesamt für Verfassungsschutz oder die Bundespolizei.
Welche Rolle spielen Linksextremisten laut dem Bericht? Richtig ist, dass der Bericht vom November 2020 die linke Szene thematisiert – nämlich inwiefern sie an Gegenprotesten zu Versammlungen gegen die Corona-Maßnahmen beteiligt war. So wird ein Vorfall vom November 2020 in Leipzig beschrieben: Dort hätten autark agierende Kleingruppen (“vermutlich aus dem linken Spektrum”) gezielt die Konfrontation mit Teilnehmern der Corona-Proteste gesucht. Eine Personengruppe soll durch eine schwarz gekleidete und überwiegend vermummte Kleingruppe (“mutmaßlich Linksextremisten”) tätlich angegriffen und zum Teil schwer verletzt worden sein. Und – so steht es im Bericht weiter – es müsse auch künftig im Rahmen von Corona-Versammlungen mit weiteren “antifaschistischen Interventionen” in Form von (“schweren”) Gewalttaten oder auch Blockadeaktionen gerechnet werden. Rechtsextreme spielen laut BKA ebenso eine Rolle
Das BKA schreibt in dem internen Papier aber auch, dass die Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen von einer “heterogenen Mischszene” frequentiert werde, die “partiell auch eine staatskritische bis staatsfeindliche Haltung” eint. Zentral hierbei sei die “Querdenken”-Bewegung. Die Teilnehmer der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen schüren und verbreiten laut BKA-Bericht antisemitische Erzählungen und Ressentiments. Teilweise werden demnach die jüngsten Änderungen im Infektionsschutzgesetz mit dem “Ermächtigungsgesetz von 1933” gleichgesetzt oder es wird von einem “Impf-Holocaust” fabuliert. Insbesondere die rechte Szene scheint, so das Papier, die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen verstärkt in ihre Agenda aufgenommen zu haben. Besonders für teilnehmerstarke Versammlungen konnten laut BKA “teils deutliche Mobilisierungsbestrebungen auf einschlägigen Szeneplattformen festgestellt werden”. Zudem registrierte das BKA bei Veranstaltungen “Teilnehmer aus dem rechtsextremistischen, zum Teil gewaltorientierten Spektrum bzw. (rechtsorientierte) Hooligan-Gruppen”. Somit ist die Behauptung falsch, das Papier des BKA spreche die Teilnehmer von Corona-Demonstrationen von dem Vorwurf frei, extremistisch zu sein. (…) Die in sozialen Netzwerken und Telegram-Chatgruppen verbreitete Behauptung, ein interner Bericht das Bundeskriminalamt belege, dass die Gewalt auf “Querdenker”-Demos hauptsächlich von linken Demonstranten ausgehe, ist falsch. Die Behauptung wurde aus dem Gesamtkontext des Papiers gerissen. Das BKA beschreibt in der als Verschlusssache eingestuften Gefährdungsbewertung zwar die Gefahr, die von linksradikalen Demonstranten der Gegenproteste ausgeht – allerdings beschreibt der Bericht ebenfalls, wie die rechte Szene Teilnehmer für Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen mobilisiert. Das Dokument spricht also die “Querdenker”-Bewegung nicht davon frei, extremistisch zu sein. Im Dezember 2020 teilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg mit, die Organisationsstrukturen von “Querdenken 711” und seiner regionalen Ableger zu beobachten.

via br24: BKA-Bericht: Linke nicht größte Gefahr bei “Querdenken”-Demos