Mit Reinhard Etzrodt wählte die Stadt erstmals bundesweit einen AfD-Politiker zum Stadtratsvorsitzenden. Er steht an der Seite von Björn Höcke. Reinhard Etzrodt sitzt inmitten der meterlangen Bühne im Zentrum des holzvertäfelten Saals des Kultur- und Kongresszentrums Gera und fällt trotzdem kaum auf. Ein kleiner Mann, gerader Rücken, grau-kariertes Jackett über weißem Hemd, eng gebundene gestreifte Krawatte, ernstes Gesicht. Nur wenig ist von dem lächelnden Mann zu sehen, den er auf Pressefotos darbietet, fast unscheinbar wirkt der 69-Jährige. Wüsste man nicht, dass er hier das Sagen hat, man würde es nicht vermuten. Es ist Donnerstag, der 8. Oktober, die erste Stadtratssitzung seit dem Triumph des AfD-Abgeordneten. Nur zwei Wochen zuvor wurde Etzrodt mit 23 Stimmen zum Vorsitzenden des Stadtrats gewählt. Rein rechnerisch können nur zwölf davon aus der eigenen Fraktion kommen, elf Stimmen müssen aus anderen Fraktionen sein, mindestens zwei davon von den im Bundestag vertretenen Parteien. Doch alle bestreiten das: die Linken, die Grünen, die FDP, die CDU. Sogar CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer dementierte, dass der AfD-Kandidat von der Fraktion im Stadtparlament unterstützt worden sei. (…) Nur einen Tag nach der Wahl sagte er im Deutschlandfunk, er bekenne sich zu Höcke und seiner Einstellung. Auf Facebook gratuliert dieser stolz zur Wahl Etzrodts: „Deutschlands erster AfD-Stadtratsvorsitz! Herzlichen Glückwunsch lieber Reinhard.“ Höcke und seine Landespartei gelten als rechtsaußen, der Verfassungsschutz bezeichnet den Anführer als Rechtsextremisten. Seine völkische Ideologie prägt die Parteilinie der AfD in Thüringen maßgeblich. Mit Erfolg: Im Landtag ist sie inzwischen zweitstärkste Kraft, in mehreren Stadtparlamenten stärkste. Auch in Gera. Will man mehr über die ideologische Nähe der Geraer AfD zu Akteuren rechtsaußen wissen, muss man nicht lange suchen. Fotos zeigen Stadträte bei rechtsextremen Aufmärschen – auch Etzrodt und seine Frau, 2015 auf einer Veranstaltung der rechtsextremen Thügida-Bewegung, organisiert von NPD-Aktivisten und anderen Akteuren der extremen Rechten. Screenshots des „Antifa Rechercheportal Jena“ zeigen Facebook-Likes von Bettina Etzrodt Ende 2018 bei Pegida, der NPD, Björn Höckes „Flügel“ und Reichsbürgern. Vor ihrer AfD-Mitgliedschaft war die Ehefrau des Stadtratsvorsitzenden Mitglied in der rechtskonservativen DSU. Auch andere Mitglieder der Geraer AfD-Fraktion machen keinen Hehl aus Kontakten zu weit Rechten. Zum Beispiel Eike Voigtsberger, der im Februar diesea Jahres an einem der bundesweit größten Naziaufmärsche in Dresden teilnahm. Heute sitzt Voigtsberger im Stadtrat und beschwert sich in der Pause lautstark über Menschen „die in ihrem Leben noch nie richtig gearbeitet haben“.
via taz: AfD-Vorsitz im Stadtrat Gera: Die völkische Premiere