“Boxen und Jiu-Jitsu sind mir immer wichtiger erschienen als irgendeine schlechte, weil doch nur halbe Schießausbildung”, schrieb Hitler in “Mein Kampf”. Wie heutzutage Neonazis für den rechtsradikalen Umsturz trainieren, zeigt der Autor Robert Claus in seinem Buch “Ihr Kampf”, in dem er sowohl die internationale Vernetzung der Szene als auch ihr Einsickern in die Mitte der Gesellschaft beschreibt. Im Interview mit n-tv.de erklärt Claus, welch immens wichtige Rolle der Kampfsport für die radikale Rechte spielt – und was die martialische Vorbereitung auf den “Tag X” mit dem Fitnessboom zu tun hat. n-tv.de: Über 100 Polizeibeamte haben Ende September das Gelände des Bikerclubs “Division 39” in Magdeburg geentert, wo gerade die Aufnahmen für den “Kampf der Nibelungen” gemacht wurden, ein Boxring wurde beschlagnahmt. Warum dieser Aufwand nur wegen eines rechten Kampfsport-Events? Robert Claus: Ich finde es überraschend, dass diese Razzia medial so wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Man kann von einem der schwersten staatlichen Schläge gegen eine Struktur militanter Neonazis in diesem Jahr reden. Der “Kampf der Nibelungen” ist von 2013 bis 2018 rasant gewachsen – zum größten Kampfsportevent der militanten rechten Szene in Westeuropa.
Etwas naiv könnte man doch fragen: Was ist so schlimm daran, wenn sich Nazis gegenseitig auf die Nase hauen? Wir reden nicht von einer reinen Sportveranstaltung. Damit einher gehen Kongresse, Straßenkampf-Seminare, internationale Trainingsreisen zu Hooligan-Guppen. Neonazis trainieren und professionalisieren hier ihre Gewalt. Wer sich die Verlautbarungen vom “Kampf der Nibelungen” und dem Netzwerk dahinter anschaut – da wird das Phantasma beschworen, die weiße christliche Identität sei durch die Migration bedroht. Diese Leute wollen sich “wehrhaft” machen für den rassistischen Straßenkampf. So wie Trumps “Proud Boys” mit Maschinenpistolen posieren, pumpen sich deutsche Neonazis zu Kampfsportlern auf? Das lassen sich tatsächlich Parallelen ziehen, ja. Hinzu kommt, dass es nicht beim Boxen bleibt, sondern fließend in Wehrsport übergeht. Wenn man recherchiert, trifft man auf Neonazis, die auf tschechischen Schießanlagen trainieren oder sogar in der Ukraine am Krieg im Donbass teilnehmen. Wir sitzen einer Illusion auf, wenn wir den “Kampf der Nibelungen” als isolierbares Event betrachten. Es hat eine wichtige Funktion für die Finanzierung und die Vernetzung der Szene, europaweit.

via nzv: “Moderne Straßen-SA” Wie Rechtsradikale für den Umsturz pumpen