Hat der Polizist mit der skandalträchtigen Aussage während einer Dresdner Demonstration am 20. September aus Notwehr gehandelt oder seine Kompetenzen deutlich überschritten? MDR-exakt hat Videos von der fraglichen Situation gesichtet und versucht, die Ereignisse minutiös zu rekonstruieren. “Schubs mich, und du fängst dir ´ne Kugel” – mit diesem Satz droht am Sonntag vor einer Woche ein Dresdner Polizist Demonstranten, die eine Kreuzung blockierten, den Gebrauch seiner Schusswaffe an. Dann geht er einige Schritte zurück, greift an die Waffe und lässt sie wieder in den Halfter fallen. Noch am selben Abend entschuldigt sich die Polizei für den Satz. Trotzdem kommt der Dresdner Polizeipräsident Jörg Kubiessa zu dem Ergebnis: “Einen Anlass für disziplinarrechtliche Schritte sehe ich jedoch nicht.” Der Einsatzleiter sei von vermummten Demonstrationsteilnehmern bedrängt worden. Ähnlich äußert sich die Staatsanwaltschaft. Sie spricht von einer antizipierten Notwehrsituation. Deshalb sehe sie keinen Grund gegen den Beamten zu ermitteln.
Und dann äußert sich noch der Ministerpräsident Michael Kretschmer. Gegenüber der deutschen Presseagentur, sagt er, es habe sich um eine “furchtbare, gewalttätige” Situation gehandelt. Der Beamte sei von Menschen umringt gewesen, die “potenziell als Angreifer und Gewalttäter einzustufen sind.” Zwischen den offiziellen Wertungen und dem, was die Aufnahmen vom Geschehen zeigen, treten allerdings deutliche Widersprüche auf. Landtagsabgeordnete haben parlamentarische Anfragen gestellt. Der innenpolitische Sprecher der mitregierenden SPD Albrecht Pallas, selbst Polizist, fordert Aufklärung: “Mir ist wichtig, dass wir eine ehrliche Debatte darüber haben, was passiert, wenn mal schlimmere Fehler bei der Polizei auftreten. Das ist der Punkt, bei dem ich auch eingestiegen bin. Dass es eben diese Diskrepanz gibt, zwischen dem, was offensichtlich ist und dem, was offiziell mitgeteilt wurde, finde ich nicht in Ordnung.” (…) MDR-exakt hat sich an Lars Winkelsdorf mit der Bitte gewandt, die fragliche Videosequenz zu analysieren. Winkelsdorf ist Journalist und zertifizierter Waffensachverständiger. Seine Einschätzung der Situation lautet: “Es gehört mit Sicherheit nicht zur normalen Sicherung der Schusswaffe, diese Sicherung zu deaktivieren und die Waffe zu ein bis zwei Drittel aus dem Holster zu entnehmen. Die Schusswaffe muss nicht gezogen werden, um sie anschließend neu zu arretieren. Der Zug an der Waffe reicht bereits völlig aus, um zu überprüfen, ob diese Sicherung aktiv ist oder nicht.” Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen doch Ermittlungen aufnehmen müssen. Der Grund: Mehrere Personen haben eine Anzeige gegen den Beamten gestellt
via mdr: Polizeigewalt “Schubs mich, und du fängst dir ‘ne Kugel”