Brieselang wird künftig von einer Reichsbürgerin gestaltet. Der Vorgang zeigt exemplarisch, wie Verfassungsfeinde Behörden unterwandern können. Die Gemeinde Brieselang im Havelland suchte im Frühling nach einem neuen Bauleitplaner. Die Bauleitplanung gilt als wichtigstes Werkzeug zur Lenkung und Ordnung der städtebaulichen Entwicklung einer Gemeinde in Deutschland, der Posten sollte schnell neu besetzt werden. Routinemäßig schrieb die Gemeinde die Stelle öffentlich aus. Am 18. März stellte sich schließlich die aus Berlin stammende Iris R. im Hauptausschuss der Gemeindevertretung vor. Es war am Ende eine reine Formalie, einstimmig sprachen sich die Gemeindevertreter aller Fraktionen für die Stadtplanerin aus. Im Mai hat R. ihre Stelle im öffentlichen Dienst des Landes Brandenburg angetreten. Inzwischen ist es eine Personalie mit Sprengkraft. (…) Die neue Bauleitplanerin R. lebt in einer Partnerschaft mit dem Rathenower Mario S. Dieser eröffnete im vergangenen Jahr mitten in Rathenow ein sogenanntes „Bürger Meister Büro“. Es dient als Anlaufstelle für Rechtsextreme, Reichsbürger und Anhänger des „Bürgerbündnisses Havelland“, das schon 2018 vom Brandenburger Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wurde. Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2019 kandidierten die Lebensgefährten R. und S. gemeinsam in Rathenow erfolglos für eine gemeinsame Liste der rechten Partei „Die Republikaner“ mit dem „Bürgerbündnis Havelland“. Auf der vom Paar betriebenen Internetseite wird in typischer Reichsbürger-Manier die Gültigkeit des Grundgesetzes in Frage gestellt. „Aber gilt das Grundgesetz überhaupt noch?“, heißt es dort. (…) Mario S., der Lebensgefährte der neuen Brieselanger Bauleitplanerin, wurde im August vor dem Amtsgericht Rathenow zu einer Geldstrafe wegen sechsmaligen Fahrens ohne gültigen Führerschein verurteilt. Vor Gericht zeigte er unter anderem eine selbstgebastelte Fahrerlaubnis als Beleg dafür, in Besitz eines Führerscheins zu sein. Auch das folgt der Überzeugung der Reichsbürgerszene, Dokumente der Bundesrepublik Deutschland nicht zu akzeptieren. R. selbst wurde Anfang Juli 2020 bei einer Kundgebung des wegen Holocaustleugnung aus dem Schuldienst entlassenen „Volkslehrers“ Nikolai Nerling vor dem Bundeskanzleramt gesehen. Schon im Jahr zuvor war sie bei einer ähnlichen Veranstaltung von Neonazis, Reichsbürgern und Holocaustleugnern zugegen, wie der Journalist Hardy Krüger dokumentiert hat. Mehrmals war sie außerdem bei Demonstrationen des rechtsextremen „Bürgerbündnisses Havelland“. (…) Die Position in der Gemeinde-Bauleitung ist interessant, weil die Zuständigen Einsicht auf freie Grundstücke und Immobilien in der Kommune haben. Gleichzeitig sind sie mit Bauleitplanungen anderer Gemeinden eng vernetzt. Befürchtet wird von einigen Gemeindevertretern, dass sich R. ihre Stelle zunutze machen könnte, um Rechtsextremisten und Reichsbürger über die Verfügbarkeit von freien Immobilien und Grundstücken zu informieren. Die Szene könnte Liegenschaften aufkaufen, um weitere Rückzugsorte ähnlich dem Rathenower „Bürger Meister Büro“ entstehen zu lassen.

via tagesspiegel: Reichsbürgerin in der Verwaltung Eine Rechtsextremistin wird in Brandenburg als Stadtplanerin angestellt