Im Prozess um den Anschlag auf die Synagoge in Halle sprechen Zeugen über das unsensible Verhalten nach der Evakuierung. Im Magdeburger Prozess um den gescheiterten Anschlag auf die Hallesche Synagoge kamen am Mittwoch erneut Zeugen zu Wort, die am 9. Oktober vergangenen Jahres während des Angriffs den jüdischen Festtag Jom Kippur in dem Gotteshaus feierten. Dabei wurde – wie auch schon von anderen Zeugen am Vortag – auch das Verhalten der Polizeibeamten im Umgang mit den traumatisierten Menschen aus der Synagoge kritisiert. Besonders emotional war der Auftritt der 30-jährigen Christina F. Die Österreicherin, die derzeit in Paris lebt und an der Sorbonne ihre Doktorarbeit schreibt, schilderte das unsensible Agieren der Polizisten. So berichtete sie etwa über einen Vernehmungsbeamten, der sie nach der Evakuierung der rund 50 Juden aus der Synagoge in einem Krankenhaus in Halle am Abend befragte. Der Mann habe sich ihr nicht einmal vorgestellt und eher lustlos ihre Aussage aufgenommen, sagte sie. Auch auf wiederholte Nachfragen habe er ihr keine Informationen darüber mitteilen wollen, was überhaupt passiert sei. „Der Beamte war unhöflich, patzig und genervt, und ich hatte das Gefühl, ich bin eine Belastung für ihn“, sagte die Österreicherin. Ein Sicherheitsgefühl habe er ihr jedenfalls nicht vermittelt. „Ich hatte kein Vertrauen zu ihm.“ Bei Gesprächen mit einigen der eingesetzten Schutzpolizisten habe sie überdies den Eindruck gewonnen, dass diese überhaupt keine Ahnung vom Judentum haben. „Ich finde es unfassbar, dass der Angeklagte offenbar mehr weiß über Jom Kippur und das Judentum als die Polizei“, sagte sie sichtlich empört. Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg Auch die vor Christina F. als Zeugin gehörte Polin Agata M. beklagte sich über die Behandlung durch die Polizei. Die 24-Jährige, die vor anderthalb Jahren zum Studium nach Deutschland gekommen ist, beschrieb unter anderem, dass die Juden bei der Evakuierung aus der Synagoge Zettel mit Nummern angeheftet bekamen. „Das erinnerte mich sehr an die Zeit des Zweiten Weltkriegs“, sagte sie und erzählte, dass ihre Großeltern während der deutschen Besetzung Polens in mehreren Konzentrationslagern interniert waren. „Ich möchte mich entschuldigen dafür, dass ich das zur Sprache bringe, aber ich fand es auch vor dem Hintergrund meiner Familiengeschichte sehr belastend, mit einer Nummer versehen zu werden“, sagte sie. Bereits am Dienstag hatten mehrere Zeugen darüber berichtet, dass die eingesetzten Polizeibeamten keine Rücksicht auf die religiösen Gefühle der Menschen in der Synagoge genommen hätten.

via berliner zeitung: Halle-Prozess : Jüdische Zeugen beklagen sich über Polizeibeamte