Schwierige Ermittlungen Tausende Hasskommentare, kaum Verdächtige

Ob zum Lübcke-Mord oder dem Anschlag von Hanau: Im Internet grassiert der Hass. Aber die wenigsten Hetzer fliegen auf. Wenn doch, kommen sie glimpflich davon. Das Amtsgericht in Kassel ist einer der Nebenschauplätze im Mordfall Walter Lübcke. Gerade stand dort der 71 Jahre alte Rentner Hermann R. vor Gericht. “Hoffentlich ist er langsam gestorben. Für Völkermörder ist nichts anderes vorgesehen”, hatte R. wenige Tage nach dem mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Mord am Kasseler Regierungspräsidenten in eine Facebookgruppe geschrieben. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft eindeutig eine Straftat: Auf Beleidigung und Billigung eines Mordes lautete die Anklage. R. bestritt das nicht und wurde verurteilt – zu 30 Tagessätzen à 10 Euro. Der Fall ist nicht der einzige. Tausende Hasskommentare seien im Zusammenhang mit dem Mord an Walter Lübcke bekannt, sagte Oberstaatsanwalt Benjamin Krause dem hr. Seine Behörde, die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, koordiniert die Ermittlungen gegen die Lübcke-Hetzer im Netz. Seit Beginn der Ermittlungen im September 2019 wurden nach Angaben Krauses mehrere hundert Kommentare als strafrelevant eingeordnet. Die Ermittler konnten bislang aber nur 64 mutmaßliche Verfasser identifizieren. Das größte Problem sei nach wie vor die Anonymität: “In mehr als 90 Prozent der Fälle erhalten wir von Facebook, Twitter oder YouTube keine Daten”, berichtet Krause. (…) Ein weiterer Verdächtiger ist Hermann R. aus Kassel, ein achtes Verfahren richtet sich gegen einen 73-jährigen Mann aus dem Main-Kinzig-Kreis. Seine Verhandlung soll Anfang August vor dem Amtsgericht in Hanau beginnen. Daneben stand im Juni auch in Gelnhausen bereits ein Rentner vor Gericht. Er soll im Internet ebenfalls gegen Lübcke gehetzt haben – und zwar bereits im Jahr 2015, als der Regierungspräsident in einer Rede vehement für die Aufnahme von Flüchtlingen plädierte. Das Verfahren gegen den Rentner wurde inzwischen vorläufig eingestellt – laut einem Bericht der Fuldaer Zeitung gegen eine Auflage von 300 Euro.
“Ein hohes Strafmaß wäre unfair” Dass die Strafen trotz der gesellschaftlichen Relevanz so gering ausfallen, erklärt Oberstaatsanwalt Benjamin Krause damit, dass sich das Strafmaß nach der individuellen Schuld richtet. “Der Vorwurf lautet ja nicht auf Beihilfe zum Mord, sondern auf Billigung.” Die Gefahr bestehe in diesem Fall darin, Nachahmer zu weiteren Gewalttaten zu ermutigen. Durch den bloßen Kommentar werde laut Gesetz jedoch kein Mensch direkt geschädigt, sondern das Rechtsgut der öffentlichen Ordnung. Dies wiege bei der Wahl des Strafmaßes weniger schwer. Ziel der Ermittlungen sei es nicht, durch harte Strafen abzuschrecken, so Krause weiter. “Wir möchten die Leute aus der Anonymität rausholen, von Mensch zu Mensch mit ihnen sprechen.” Im Internet sinke die soziale Hemmschwelle. “Wenn wir die Leute überzeugen können, dass sie falsch gehandelt haben, können wir damit vielleicht in Zukunft Hasskommentare verhindern.”

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