Die Vernichtungsfantasien, wie man sie auf der Pegida-Bühne hören und im Netz lesen konnte, haben Nachhall gefunden: Der neue Typus von Attentäter kopiert sich sein Manifest zusammen – und tötet. Der Rede war unmissverständlich. Am 7. Oktober 2019 präsentierte Lutz Bachmann den Pegida-Spaziergängern in Dresden von der Rednertribüne herab seine Sicht auf das Land. Getrennt durch einen tiefen Graben stünden auf der einen Seite diejenigen, die er als das große “Wir” adressierte: die Produktiven, die Steuerzahler, die den Wohlstand erwirtschafteten. Auf der “entarteten” Seite hingegen sammelten sich die “Schädlinge”, die “Parasiten” und “miesen Maden”, die sich “vom Erwirtschafteten der guten Seite, also von uns, ernähren und sich durch den Speck fressen”. Die Aufgabe bestünde nun darin, “die auf der guten Seite” vor denen auf der bösen zu schützen. Diese würden “ohnehin nie einen Nutzen für diese Gesellschaft bringen.” Soweit die Lagebestimmung, aber wie jeder Agitator musste auch Bachmann seiner Gefolgschaft noch den Weg aus der Krise weisen: “Und all die Unterstützer dieser Volksfeinde und die, welche die schlechte Seite des Grabens mit ihrer Indoktrination weiter vergiften, die sollen rein in den Graben. Damit können wir den Graben füllen! Wir werfen sie in den Graben. Dann schütten wir diesen Graben zu.” Bachmann versprach für diesen Fall eine strahlende Zukunft für die Kinder, das Publikum johlte. Vernichtungsfantasien, vorgetragen auf deutschen Rednerbühnen heute, sind eine gesellschaftliche Realität. Eine solche Rhetorik berauscht nicht nur, sie weckt Erwartungen, die kaum einzulösen sind. Die Umsetzung verspricht der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke, der kürzlich bei der 200. Pegida-Versammlung in Dresden auf der Bühne stand. Er kündigte an, seine Partei würde eben jene “Zivilgesellschaft trockenlegen”, die Bachmann wenige Wochen zuvor so drastisch beschrieben hatte. Beim Pegida-Jubiläum anwesend waren auch Höckes Duz-Freund Götz Kubitschek, ein Kleinverleger extrem rechter Literatur, und Martin Sellner, das bekannteste Gesicht der “Identitären”. Die Forderungen nach einer “Reconquista” Europas und Parolen wie “Hol dir dein Land zurück” sind ihr Geschäft. Es lief gut für Kubitschek in den vergangenen Jahren. Auch bei der AfD ist er gefragt, in seinem privatem “Institut für Staatspolitk” machten neben Höcke schon Jörg Meuthen, Alexander Gauland und Alice Weidel ihre Aufwartung. (…) Dem stets zur entscheidenden “Tat” drängenden Agitator ist das eigene Milieu nicht mehr heroisch genug, geradezu langweilig sei es geworden: “Dieser Abend konnte schlechterdings nicht in einer Katastrophe enden, niemand würde überrannt werden, niemand angegriffen. Jeder hatte seine Rolle gefunden und konnte seinen Text. Es gab weder für die noch für uns die Möglichkeit des Geländegewinns. Erstarrte Front.” Die Zeilen machen stutzig. Wenn schon Kader wie er vom Ennui befallen sind, wie groß muss die Wahrscheinlichkeit sein, dass sich andere berufen fühlen, diese Erstarrung aufzubrechen. Zwei Tage später endete ein Abend in Hanau in einer Katastrophe. Ein Rechtsterrorist erschoss neun Menschen aus rassistischen Motiven, ermordete seine Mutter und nahm sich anschließend selbst das Leben. Er hinterließ ein Pamphlet, das die Welt in produktive und unproduktive Menschengruppen einteilt. Seine Konsequenz ist, dass, ganze “Völker komplett vernichtet werden müssen”. Die Aufzählung umfasst alles, was er als nicht “weiß” empfindet: den ganzen Nahen und Mittleren Osten mitsamt Israel, Afrikaner, Asiaten, Lateinamerika, eine “Feinsäuberung” solle auch in Deutschland die Bevölkerung halbieren. “Wenn ein Knopf zur Verfügung steht, dies Wirklichkeit werden zu lassen, würde ich diesen sofort drücken.” Einen Knopf gab es nicht, aber eine Pistole, und mit den Shishabars Orte, an denen er Opfer finden konnte. In den Appellen nach dem Anschlag wird nun nach jener Zivilgesellschaft gerufen, der Höcke gerade den Kampf angesagt hatte.
via spon: Rechtsterrorismus – Das Terrornetz des Einzeltäters