Blumen für die Füße

An diesem ganz und gar unperfekten Tag im Thüringer Landtag gab es einen einzigen perfekten Moment für die Ewigkeit. Er ist Susanne Hennig zu verdanken, der Landesvorsitzenden der Linken. Es ist wie im Film. Wie Susanne Hennig auf Thomas Kemmerich zugeht, den FDP-Mann, der gerade überraschend mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt wurde und diese Wahl angenommen hatte. Seine Partei hatte es mit fünf Prozent kaum in den Landtag geschafft, jetzt steht er da als Sieger und weiß doch, dass er keiner ist. Die Linken-Chefin trägt einen Blumenstrauß in der Hand. Zuvor hat sie mitangesehen, wie ihr Kandidat Bodo Ramelow wegen der plötzlichen AfD-Unterstützung für Kemmerich mit einer einzigen Stimme unterlegen ist. Politiker sind berühmt für ihre Pokerfaces, aber Kemmerich scheint schon genau zu wissen, dass Susanne Hennig ihm nicht die Hand zur Gratulation reichen wird. Sie tritt vor ihn und pfeffert den Strauß nicht etwa hin, nein, sie lässt ihn einfach fallen. Der neue Ministerpräsident schaut genauso wenig überrascht und doch erschüttert drein wie zuvor all jene, die den Beteuerungen der FDP geglaubt hatten, eine Kooperation mit der AfD käme nicht infrage. Hennig deutet eine Verbeugung an, dreht sich um und geht. Im Hintergrund schauen andere Abgeordnete perplex herüber. Sie sind nur das Publikum für diesen perfekten Moment.

via faz: Blumen für die Füße

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Kemmerichs Wahl ist eine Schande

Für FDP und CDU in Thüringen ist die Macht offenbar wichtiger als der Zusammenhalt der Demokraten. Sie haben sich an der Republik vergangen. Zum Hereinlegen gehören zwei: Einer, der jemanden hereinlegt – und einer, der sich hereinlegen lässt. Warum war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich am Mittwoch in Erfurt im dritten Wahlgang angetreten? (…) Es ist eine Schande, dass Kemmerich in Kenntnis des Ergebnisses diese Wahl angenommen hat. Im dritten Wahlgang ist in Thüringen gewählt, “wer die meisten Stimmen erhält”. Der Landtag besteht aus 90 Abgeordneten. Hätte – nur als Beispiel – der AfD-Kandidat in diesem dritten Wahlgang 22 Stimmen erhalten, Ramelow 20, Kemmerich 26; der Rest Enthaltungen: Es wäre eine zwar kuriose, aber seriöse Wahl gewesen. Weil aber tatsächlich der AfD-Kandidat null Stimmen bekam und es auch lediglich eine Enthaltung gab, konnte Thomas Kemmerich nur durch ein Zusammenwirken der bürgerlichen Parteien CDU und FDP mit einer Partei ins Amt kommen, an deren Spitze in Thüringen ein Nazi steht. Noch mal zur Erinnerung: Höcke ist der Mann, der Vokabeln wie “Denkmal der Schande”, “tausendjährige Zukunft”, “wohltemperierte Grausamkeit”, “vollständiger Sieg der AfD” et cetera in den Diskurs platziert. Dieser Mann nutzt die Instrumente der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, um sie zu bekämpfen. Hätte die FDP bei der Landtagswahl im Oktober nur ein paar Dutzend Stimmen weniger bekommen, sie wäre gar nicht im Landtag vertreten. Es reichte gerade für 5,0 Prozent. Sie hat in der Geschichte der Bundesrepublik erst einmal einen Ministerpräsidenten gestellt, 1952/53 in Baden-Württemberg. Ihr Mann damals hieß Reinhold Maier, er hatte 1933 für Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt und erließ in seiner Amtszeit besonders viele Gnadenakte in Entnazifizierungsverfahren. Fast 70 Jahre dauerte es, bis nun wieder ein FDP-Politiker in Deutschland Ministerpräsident geworden ist – und indem der sich von Nazis wählen ließ, stellt er sich gleich in diese trübe Tradition.

via sz: Kemmerichs Wahl ist eine Schande

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#BKA-Präsident – Zahl der rechtsextremen Gefährder höher als bekannt – #terror

Die Zahl potenzieller rechter Gewalttäter steigt – und dennoch zeigt sie nicht das vollständige Bild, sagt BKA-Präsident Holger Münch. Die Zahl der rechtsextremen Gefährder in Deutschland dürfte nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden deutlich höher sein als bekannt. Die Staatsschützer der Polizei müssten prüfen, “ob wir die Zahl der Eingestuften erhöhen müssen, wovon wir ausgehen”, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, beim Europäischen Polizeikongress in Berlin. Aktuell stuft das BKA 53 der bundesweit rund 12.700 gewaltbereiten Rechtsextremisten als Gefährder ein. Im Oktober waren es 43, vor acht Jahren 22. Ihnen traut die Polizei schwere Gewalttaten bis hin zu Terroranschlägen zu. “Wir müssen stärker schauen, ob wir alle Personen wirklich kennen”, sagte Münch. Als leidvolles Beispiel für ein Ermittlungsverfahren, das weiße Flecken auf der Karte aufgezeigt habe, nannte der BKA-Präsident den Fall Franco A. Der Soldat hatte sich als syrischer Flüchtling registrieren lassen und nach Ansicht des Generalbundesanwalts einen Terroranschlag geplant. Über Chats stießen die Ermittler auf weitere rechtsextreme Gruppen.

via spiegel: BKA-Präsident Zahl der rechtsextremen Gefährder höher als bekannt

Ministerpräsident mit AfD-Stimmen – Verheerende Signale

Es ist höchstwahrscheinlich, dass die Wahl von FDP-Chef Kemmerich zum Ministerpräsidenten ein abgekartetes Spiel zwischen AfD, CDU und FDP war. Die Bundesparteien müssen diesen „Thüringer Weg“ versperren, mit allen Konsequenzen bis hin zur Abspaltung. Der thüringische FDP-Vorsitzende Thomas Kemmerich bekam im dritten Wahlgang eine Stimme mehr als sein Vorgänger Bodo Ramelow von der Linken. Das verdankt er einem Manöver der AfD. Die gab ihrem eigenen Kandidaten keine einzige Stimme, so dass es – zusammen mit den Stimmen der CDU – reichte. Aber die Rechtspopulisten mit ihrem Anführer Björn Höcke haben den FDP-Mann offenbar nicht in eine Falle laufen lassen. Wäre dem so gewesen, hätte er auf die Frage, ob er die Wahl annehme, nur nein sagen müssen. Das Schmierenstück der Höcke-Jünger wäre zu Ende gewesen. Kemmerich aber sagte ja und nahm – sichtlich stolz – die Glückwünsche vieler Abgeordneter entgegen. Da lässt sich auch mit dem Hinweis, es sei eine geheime Wahl gewesen, nichts beschönigen. Wenn der offizielle AfD-Kandidat keine einzige Stimme bekommt, dann war das ein abgekartetes Spiel. Kemmerich mag sich rühmen, seit 1953 der erste FDP-Regierungschef zu sein. Tatsächlich ist er der erste Ministerpräsident von Gnaden einer AfD, die neben Nationalkonservativen auch Rassisten und Nationalisten eine Heimat bietet.

via cicero: Ministerpräsident mit AfD-Stimmen – Verheerende Signale

Wahl-Skandal: #AfD nominiert 96-Jährige und #Alzheimer-Patienten – und das gegen ihren Willen – #schauhin #pack

Die AfD hat für die Gemeinderatswahl in Vaterstetten offenbar Menschen gegen ihren Willen nominiert. Darunter eine 96-jährige Seniorin und einen Alzheimer-Patienten. Die AfD in Vaterstetten (Kreis Ebersberg) hat auf ihrer Liste für die Gemeinderatswahl drei Bürger offenbar gegen ihren Willen nominiert. „Wir sind übertölpelt worden“, sagte Helga Steinberger (66) dem Münchner Merkur. Sie steht auf Platz 7 der Liste, ihr Mann Robert (74), der an Alzheimer erkrankt ist, auf Platz 21. Steinbergers Mutter Emma (96) kandidiert auf Platz 22. Zudem finden sie sich auf der Kreistagsliste wieder. Vaterstetten (Bayern): AfD nominiert Bürger gegen ihren Willen Zu der Aufstellung kam es, nachdem der örtliche AfD-Gemeinderat Manfred Schmidt (82) die drei Personen um Unterstützung gebeten hatte. Schmidt war früher Mitglied der Freien Bürger Union, die aber mittlerweile in der AfD aufgegangen ist. Schmidt habe, als er für die Unterstützungsunterschrift warb, die AfD nicht erwähnt, sondern nur von den „Freien“ gesprochen, sagte Steinberger.

via merkur: Wahl-Skandal: AfD nominiert 96-Jährige und Alzheimer-Patienten – und das gegen ihren Willen

Ein Ministerpräsident nach dem Willen Björn Höckes – #fckafdp #thüringen #dammbruch

Die FDP stellt fünf Abgeordnete im Thüringer Landtag und künftig auch den Regierungschef des Bundeslandes. Gelungen ist das mit Stimmen aus der CDU und der gesamten AfD. Das Szenario hielt kaum einer für realistisch, nun ist es eingetreten: Der amtierende Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow ist in der entscheidenden Abstimmung im Thüringer Landtag dem Kandidaten einer Partei unterlegen, die gerade einmal fünf Abgeordnete in dem Parlament hat. Nun ist der FDP-Politiker Thomas Kemmerich neuer Regierungschef, ein 54 Jahre alter Unternehmensberater aus Aachen, der seit der Wendezeit im Osten des Landes lebt. Damit führt ein Politiker eine noch zu bildende Regierung, dessen Partei in der Landtagswahl im Oktober die Fünfprozenthürde mit gerade einmal 73 Stimmen überwand: 5,0005 Prozent lautete das Endergebnis. Ein Politiker, der nun ein Kabinett ans Licht holen sowie ein Wahlprogramm zu einem Regierungsprogramm fortentwickeln muss. Mit Kemmerich regiert bis auf Weiteres ein Ministerpräsident das Bundesland, der dem Vorwurf ausgesetzt ist, nicht nur mit den Stimmen der CDU, sondern auch kraft der 22 AfD-Abgeordneten ins Amt gekommen zu sein. Und der eine bereits ausgehandelte Koalition von Linken, SPD und Grünen in die Opposition schickte, die bereits einen Vertrag geschlossen und Minister nominiert hatte. Die CDU wollte sich bei der Wahl des Ministerpräsidenten eigentlich enthalten. So hatten es die Christdemokraten von Mike Mohring durchblicken lassen. Seine Fraktion hat das offenkundig nicht durchgehalten und zumindest in Teilen für Kemmerich gestimmt – wie auch die AfD. Kemmerich erhielt auf diese Weise 45 Stimmen – höchstwahrscheinlich neben denen seiner eigenen Fraktion welche aus CDU und die der AfD. Ramelow unterlag mit 44 Stimmen, der AfD-Kandidat Christoph Kindervater erhielt null Stimmen – und damit nicht eine einzige aus der Fraktion, die ihn aufgestellt hatte.

via zeit: Ein Ministerpräsident nach dem Willen Björn Höckes

siehe auch: Königsmacher in Thüringen: Das sind die radikalen Zitate von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Thüringen hat einen neuen Ministerpräsidenten: FDP-Politiker Thomas Kemmerich. Kemmerich wurde im dritten Wahlgang ins Amt gewählt — und konnte nur durch Stimmen der AfD eine Mehrheit gewinnen. Diese wird in Thüringen von Björn Höcke, dem Anführer des rechtsnationalen Flügels in der AfD, angeführt. Business Insider hat die radikalen Zitate des AfD-Scharfmachers zusammengestellt.

Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen, dann werden die Schutthalden der Moderne beseitigt

https://twitter.com/AlixKroeger/status/1225149873005191168

Gerhart Baum: "Jetzt brennt die ganze FDP!"

Der FDP-Politiker Gerhart Baum ist fassungslos über den Tabubruch seiner Partei in Thüringen. Er fordert den neuen Ministerpräsidenten auf, sofort das Amt zurückzugeben. Gerhart Baum, 87, war Bundesinnenminister und einer der profiliertesten Rechtsstaat-Politiker der FDP. Er hat sich immer wieder kritisch zum Kurs des Vorsitzenden Christian Lindner geäußert. Die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen hält er für eine Katastrophe, am Telefon ist ihm die Empörung anzumerken, er ruft fast in den Hörer. ZEIT ONLINE: Herr Baum, wer trägt die Verantwortung für das, was heute in Erfurt passiert ist? Gerhart Baum: Der heutige Tag ist ein Dammbruch und ein schwarzer Tag für die deutsche Politik. Die AfD jubelt und kann sagen: An uns geht kein Weg vorbei! Und in der Tat ist heute zum ersten Mal ein deutscher Ministerpräsident von einer nicht demokratischen Partei gewählt worden, von einer Partei, die die Demokratie aktiv bekämpft. ZEIT ONLINE: Ihre Partei, die FDP, stellt nun den Ministerpräsidenten, Thomas Kemmerich … Baum: … der jetzt vom Wohlwollen der AfD abhängig ist! Da nützt es überhaupt nichts, dass er sich jetzt abgrenzt. Er hat sehenden Auges in Kauf genommen, von der AfD gewählt zu werden, sehenden Auges! ZEIT ONLINE: Ihr Parteivorsitzender Christian Lindner sagt, nun sollten CDU, SPD und Grüne mit ihm zusammenarbeiten. Baum: Die Reaktion von Lindner ist nicht ausreichend und nicht überzeugend. Er hat behauptet, die Mitte habe gesiegt – hat Herr Lindner jetzt etwa die AfD in die Mitte aufgenommen? Er lässt auch nicht davon ab, links und rechts gleichzusetzen. Wir haben aber in Deutschland eine rechtsextreme Partei, die die Nazi-Ideologie wiederbelebt. Die Gefahr ist auf rechter Seite viel größer als auf linker Seite – und im Übrigen ist Herr Ramelow von der Linken doch kein Extremist. Diese Gleichsetzung von rechts und links ist angesichts der deutschen Geschichte nicht hinnehmbar. ZEIT ONLINE: Welche Verantwortung trägt Ihr Parteifreund Kemmerich? Baum: Haben Sie seinen Wahlkampf verfolgt? Der war thematisch teilweise schon nah dran an der AfD. Er ist kein AfDler, das nicht. Aber Kemmerich hätte sich gar nicht erst zur Wahl stellen dürfen. Und seine Antrittsrede war gespenstisch. Die Leute sind doch nicht ganz bei Trost. Herr Kemmerich will jetzt eine “Brandmauer” zu den Extremisten ziehen? Wie soll das denn gehen? Ohne AfD und Linke, mit denen er ja auch nicht reden will, hat er doch gar keine Mehrheit! Mit wem will er denn da bitte reden? Er hat mit dem Feuer gespielt, und jetzt brennt die ganze FDP, wenn sich Herr Lindner weiter so unklar äußert.

via zeit: Gerhart Baum: “Jetzt brennt die ganze FDP!”

Re publica 18 - Day 3 (40984240105).jpg
Von re:publica from Germany – re:publica 18 – Day 3, CC BY-SA 2.0, Link