Es ist gut, dass die rechtsextreme Mörderin Beate Zschäpe nun rechtskräftig verurteilt ist – vor allem für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer und die Überlebenden der NSU-Anschläge. Einen Schlussstrich bedeutet der Beschluss des Bundesgerichtshofs jedoch nicht, kommentiert Felix Huesmann. Zu viele Fragen zum NSU-Komplex sind noch offen. Das Urteil gegen die rechtsextreme Terroristin Beate Zschäpe ist rechtskräftig – endlich! Der Bundesgerichtshof hat eine Revision Zschäpes und zweier Mitangeklagter gegen das Urteil des Münchner Oberlandesgerichts am Donnerstag verworfen. Wegen der Mittäterschaft an zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und mehreren Raubüberfällen muss Zschäpe lebenslang hinter Gitter. Nur gegen den Mitangeklagten André Eminger wird nun noch einmal verhandelt – die Bundesanwaltschaft hatte eine höhere Strafe für den Neonazi gefordert. Vor allem für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer ist das eine gute Nachricht. Zumindest mit dem langwierigen Gerichtsverfahren können sie nun ein Stück weiter abschließen. Einen Schlussstrich bedeutet die Entscheidung aus Karlsruhe jedoch nicht. Die Aufarbeitung der NSU-Morde ist auch fast zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ und drei Jahre nach dem Münchner Urteilsspruch noch lange nicht abgeschlossen. Der NSU-Prozess ermöglichte eine juristische Aufklärung der Taten des NSU-Kerntrios und einiger ihrer engsten Unterstützer. Zur Ausleuchtung des breiteren Netzwerks der Rechtsterroristen in der bundesdeutschen Neonazi-Szene trugen Staatsanwalt und Gericht jedoch nur wenig bei – trotz fortwährender Versuche der Nebenklagevertreterinnen und -vertreter, den Blick darauf zu weiten.
Bis heute ist unklar, wie viele weitere Rechtsextremisten den Mördern bei der Planung ihrer Taten geholfen und sie bei ihrem Leben im Untergrund unterstützt haben. Unbekannt ist auch, wie viele Mitwisser und Mittäter noch heute in der rechtsextremen Szene aktiv sind und weiterhin eine Bedrohung darstellen. Das Netzwerk des NSU wurde nicht ausgeleuchtet Völlig klar ist jedoch, dass das Netzwerk der Rechtsterroristen aus deutlich mehr Menschen bestand, als in München auf der Anklagebank saßen. Dass wir dies und noch vieles mehr über den NSU wissen, ist den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zu verdanken, der Arbeit von Journalistinnen und Journalisten und nicht zuletzt zivilgesellschaftlichen Initiativen, die seit 2011 unzählige Stunden mit Recherche und Aufklärung zugebracht haben. Dass vieles weiterhin vor der Öffentlichkeit verborgen bleibt, hat auch mit den deutschen Inlandsnachrichtendiensten zu tun. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz schredderte man kurz nach der Selbstenttarnung des NSU Akten, im hessischen Landesamt sollen wichtige Akten noch für Jahrzehnte unter Verschluss gehalten werden. Selbst die so wichtige Frage, warum mit Andreas Temme ein Verfassungsschutzmitarbeiter und V-Mann-Führer 2006 in einem Kasseler Internetcafé war, als die NSU-Mörder dort den 21-jährigen Halit Yozgat erschossen, ist bis heute nicht geklärt. Der hessische Verfassungsschutz stellte sich schützend vor ihn.
via rnd: Zschäpe-Urteil jetzt rechtskräftig: Kein Schlussstrich
siehe auch: Eine wegweisende Entscheidung. Der Bundesgerichtshof lässt keinen Zweifel daran, dass Beate Zschäpe als Mittäterin an den mörderischen Verbrechen des NSU anzusehen ist. Diese Klarheit ist auch angebracht. Als der Nationalsozialistische Untergrund NSU am 4. November 2011 aufflog, da blickte die Republik in einen Abgrund an Fremdenhass und Versagen. Eine braune Mörderbande war 13 Jahre lang tötend und bombend durchs Land gezogen, und niemand hatte gemerkt, worum es sich bei den Erschießungen von Migranten handelte: rechten Terror. Es war ein Skandal, ein halbes Dutzend Verfassungsschutzchefs mussten gehen, viele Bürger verloren das Vertrauen in Polizei, Justiz und Verfassungsschutz – nicht nur in deren Können, sondern vor allem in deren Willen, Rechtsextremisten ernsthaft entgegenzutreten. (…) Nun hat sich der BGH in einer selten klaren und eindeutigen Entscheidung hinter das OLG München gestellt und das Urteil bestätigt. Das Wichtigste daran: Zschäpe ist Mittäterin, nicht nur Helferin ihrer Gefährten – obwohl sie an keinem Tatort dabei war und meist nur zu Hause saß. Der BGH hat damit seine bisher restriktive Linie verlassen, wonach nur Mittäter ist, wer bei den Taten unmittelbar mitwirkt. Einer ihrer Verteidiger spricht nun von fehlendem Mut des BGH, sich dem öffentlichen Druck entgegenzustellen.