Überwachungsgesetze und -projekte werden zur Zeit meist mit der Angst vor ausländischen Attentätern begründet. Die Philosophin Bärbel Frischmann erklärt, wie ein Gefühl zum Machtinstrument wird. 2024 wurden in Deutschland 17 Menschen bei Terroranschlägen getötet. Im gleichen Zeitraum starben 2.780 bei Unfällen im Straßenverkehr. Trotzdem werden die möglichen Maßnahmen gegen Attentäter viel heißer diskutiert als die gegen Autofahrer*innen. Was ist da los? Bärbel Frischmann, Professorin für Geschichte der Philosophie an der Universität Erfurt, hat 2023 das Buch „Angstwesen Mensch“ veröffentlicht. Mit netzpolitik.org spricht sie über Angst und wie diese mit Überwachung und Herrschaft zusammenhängt. Sie erklärt, warum Politik und Medien Ängste schüren und plädiert dafür, diese einfach mal auszuhalten. netzpolitik.org: Frau Frischmann, was ist Angst? Bärbel Frischmann: Anders als man denkt, ist Angst nicht die Reaktion auf eine konkrete Bedrohung. Wenn ich eine Schlange sehe und zurückschrecke, wird dies als Furcht bezeichnet. Ängste hingegen sind Projektionen, die wir selbst erzeugen. Sie helfen, Gefahren zu antizipieren. Aber sie können auch ein Eigenleben entwickeln. Angst und Überwachung netzpolitik.org: In der letzten Zeit gab es in Deutschland einige sogenannte Attentate. Der gesellschaftliche und politische Reflex dazu scheint zu sein: Wir brauchen mehr Überwachung. Ist das eine Angstreaktion? Bärbel Frischmann: Dass Menschen sich sicher fühlen wollen, das gehört ja zum Menschsein dazu. Unsere Wohnungen haben Türen mit Schlössern. Das heißt, wir misstrauen unseren Mitmenschen auf eine gewisse Weise. Viele Menschen haben an ihren Häusern sogar Überwachungskameras, weil sie sich absichern wollen. Es geht darum, die Kontrolle zu behalten. Es gibt auch eine Grundverängstigung dahingehend, dass viele Menschen erwarten, dass es uns mal schlechter gehen könnte. Und die Menschen sind durch diese Diskussionen über Migration, die medial so im Fokus stehen, schon getriggert. Da fallen dann zum Beispiel Terroranschläge auf fruchtbaren Boden. Es schichten sich verschiedene angstmachende Aspekte übereinander, die dann die Wahrnehmung dieser einzelnen Akte überhöhen.

via spiegel: Angstforscherin:  „In der Politik gibt es oft die Strategie, Ängste zu schüren“

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