Das Interesse der Neuen Rechten an Romanen unterliegt einer metapolitischen Strategie. Sie nutzen Literatur, um den kulturellen Diskurs zu verschieben. Die Neue Rechte will Literatur benutzen, um eine Verschiebung des kulturellen Diskurses zu erreichenFoto: Hoehn/laif Keine andere politische Strömung hat sich in den letzten zwanzig Jahren so intensiv mit Literatur beschäftigt wie die Neue Rechte. Insbesondere der Kreis um das Ehepaar Götz Kubitschek und Ellen Kositza bespielt aus Schnellroda eine Vielzahl von Medienformaten, in denen Gedichte empfohlen, Romane besprochen und (meist männliche) Autoren diskutiert werden. Klassische Rezensionen und Autorenporträts finden sich in der Zeitschrift Sezession, in 90-minütigen Videogesprächen stellt Kubitschek gemeinsam mit dem Historiker Erik Lehnert Schriftsteller wie Gottfried Benn oder Jochen Klepper vor, während Kositza gemeinsam mit der Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen und jeweils einem Gast in der Sendung „Aufgeblättert. Zugeschlagen. Mit Rechten lesen“ im Stil der ZDF-Sendung „Das literarische Quartett“ seit 2018 über Bücher diskutiert – darunter zahlreiche Neuerscheinungen, die sich nicht dem rechten Spektrum zurechnen lassen. (…) Wenn Martin Sellners Vorstellungen von „Remigration“ aus dem Potsdamer „Geheimtreffen“ heraus an die Öffentlichkeit gelangten, ist das aus metapolitischer Perspektive kein Unfall, sondern ein Glücksfall. Ob geplant oder nicht: Für die Popularität des Konzepts und die Verkaufszahlen des kurz darauf in Kubitscheks Antaios Verlag erschienenen Sellner-Buchs „Remigration“ waren die Enthüllungen zweifellos förderlich. Die zweite Strategie wird von Kubitschek als „Verzahnung“‚ bezeichnet. Sie zielt darauf ab, radikale Positionen salonfähig zu machen, indem man „auf Sprecher aus dem Establishment verweist, die dasselbe schon einmal sagten oder wenigstens etwas ähnliches“. Besonders geeignet sind dafür Zitate linker und/oder jüdischer Personen – so berief sich Sellner in seiner Verteidigung der ausländerfeindlichen Sylter Vorgänge ausgerechnet auf Hannah Arendt.
via taz: Die Neue Rechte und Literatur :Vorleser mit Hintergedanken
