Ex-VAPO-Kameradschaftsführer vor Gericht

Die­se Woche stand ein Nie­der­ös­ter­rei­cher mit lan­ger Neo­na­zi-Geschich­te vor Gericht. Bei ihm wur­den 2023 NS-Devo­tio­na­li­en und ein Waf­fen­ar­se­nal (inklu­si­ve Hand­gra­na­ten) aus­ge­ho­ben. In den 1980-/90er-Jah­ren war er Kame­rad­schafts­füh­rer in Küs­sels VAPO. Wie wich­tig Pro­zess­be­ob­ach­tung ist, zeigt ein­mal mehr der Straf­pro­zess gegen Sigi P. aus dem Bezirk Melk. Im Febru­ar 2023 berich­te­ten noch vie­le Medi­en über die Haus­durch­su­chung bei ihm. Schuss­waf­fen, Schall­dämp­fer, Hand­gra­na­ten, viel Muni­ti­on und Nazi-Dreck wur­den damals sicher­ge­stellt. Nun bei der Ver­hand­lung war nur „prozess.report” vor Ort. „Kameradschaftsführer” in der VAPO-Zeit Bis zum Pro­zess wuss­ten auch wir nicht, dass sich am 24. Mai ein alter Nazi-Kame­rad, genau­er: „Kame­rad­schafts­füh­rer“ aus der „Volks­treu­en Außer­par­la­men­ta­ri­schen Oppo­si­ti­on“ (VAPO) des Gott­fried Küs­sel wegen des Ver­bre­chens der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung und Ver­ge­hens nach dem Waf­fen­ge­setz vor dem Lan­des­ge­richt St. Pöl­ten ver­ant­wor­ten muss­te. Die 1986 gegrün­de­te VAPO war eine Neo­na­zi-Trup­pe mit ter­ro­ris­ti­schem Ein­schlag (Brand­an­schlag Traun­kir­chen) und para­mi­li­tä­ri­schen Übun­gen („Wehr­sport“). Die Neo­na­zi-Grup­pe war vor allem in Wien, Nie­der­ös­ter­reich und auch in Ober­ös­ter­reich und Salz­burg aktiv. Mit­te der 1990er-Jah­re wur­de sie im Zug der Brief­bom­ben-Atten­ta­te durch die Exe­ku­ti­ve aus­ge­ho­ben. Etli­che ihrer Akti­vis­ten lan­de­ten vor Gericht und wur­den verurteilt. Kinder indoktriniert Sieg­fried „Sigi“ P. ist 54 Jah­re alt. Sei­ne VAPO-Zeit liegt bereits 30 Jah­re zurück. Was hat er in der Zwi­schen­zeit – bis ihn sei­ne Ex-Frau im Vor­jahr anzeig­te – gemacht? Der Pro­zess bringt dies­be­züg­lich sehr wenig Auf­klä­rung. Der Ange­klag­te gibt vor, er habe nach der Zer­schla­gung der VAPO mit sei­nen Nazi-Kame­ra­den und der Ideo­lo­gie gebro­chen, habe dann um 2008 mit dem Sam­meln von Waf­fen begon­nen. Aus Inter­es­se habe er sich gemein­sam mit sei­ner Ex-Frau in die nor­di­sche Mytho­lo­gie und Runen­kun­de eingearbeitet. Die Staats­an­wäl­tin sah das schon in ihren Aus­füh­run­gen zur Ankla­ge deut­lich anders: Es hand­le sich um NS-Wie­der­be­tä­ti­gung in so gro­ßem Umfang, wie sie das bis­her sel­ten erlebt habe. Im Haus­halt gab’s über­all Nazi-Sym­bo­le, Nazi-Musik qua­si am lau­fen­den Band. Der Umgang mit den drei Kin­dern stellt ein beson­ders ekel­haf­tes Kapi­tel dar: Denen sei bei­gebracht wor­den, sich zuhau­se mit „Heil Hit­ler“ zu grü­ßen. Ihnen wur­de Nazi-Lie­der und ‑Tex­te bei­gebracht, auch das Runen-Alpha­bet, und die Kleins­te der drei (5, 8, 12 Jah­re alt) habe ihren grö­ße­ren Bru­der als „Juden­sau“ beschimpft. Einen „Voll­blut-Nazi“ nann­te die Staats­an­wäl­tin den Ange­klag­ten deshalb. (…) Der vor­sit­zen­de Rich­ter zählt die Waf­fen (etwas zu schnell für eine genaue Mit­schrift) auf: „diver­se Pis­to­len teil­wei­se ohne Seri­en­num­mer, Pump­gun, Beret­ta mit Schall­dämp­fer, (…), Maschi­nen­pis­to­le, voll­au­to­ma­ti­sches Sturm­ge­wehr, 8 Hand­gra­na­ten.“ Was man halt so für einen ordent­li­chen Nazi-Haus­halt braucht, in dem es sogar Keks-Aus­ste­cher mit Sie­gru­ne, Wolfs­an­gel usw. gibt! Auch klei­dungs­mä­ßig war der Nazi deut­lich zu erken­nen: ein T‑Shirt mit dem Auf­druck „Enness“ (für NS), ein ande­res mit der Dro­hung „Wir kom­men wie­der & zwar so, dass man uns nicht ver­gisst“, natür­lich auch eini­ge „Thor Steinar“-Leiberl. Und das alles ist nie­man­dem auf­ge­fal­len? Über Jah­re hin­weg? Nicht der Poli­zei, nicht dem Verfassungsschutz? Uns ist auf­ge­fal­len, dass der Ange­klag­te neben sei­nem öffent­lich unauf­fäl­li­gen Face­book-Kon­to eines bei vkon­tak­te unter­hält. Auch jetzt noch, nach sei­ner Ver­ur­tei­lung ist dort das Foto mit dem Hit­ler-Jun­gen sehen, das eben­falls ange­klagt war. Ihm bei­gefügt ist ein schwuls­ti­ger Text, der dem Alt­na­zi Gerd Hon­sik zuge­schrie­ben wird. In der Ankla­ge wird der vkon­tak­te-Account nicht erwähnt. Hat man das nicht gesehen? Erwäh­nens­wert ist das Schluss­plä­doy­er der Staats­an­wäl­tin, weil der Satz fällt: „Da fol­gen noch meh­re­re Ver­fah­ren.“ Hier wer­den ver­mut­lich auch die im Gerichts­saal anwe­sen­den Freund*innen von Sigi auf­ge­horcht haben. Das bereits rechts­kräf­ti­ge Urteil ist dann ein­deu­tig: schul­dig im Sin­ne der Ankla­ge in 25 von 38 Ankla­ge­punk­ten, 20 Mona­te bedingt auf drei Jah­re und eine Geld­stra­fe von ins­ge­samt 960 Euro.

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