Neun Angeklagte und keine einzige Verurteilung: Das ist die Bilanz des ersten Prozesses gegen eine Gruppe von Neonazis, die in Chemnitz Jagd auf politische Gegner gemacht hatte. (…) Auf dem Rückweg zum Bus sei plötzlich ein “Pulk” von Neonazis auf sie und ihre Gruppe losgestürmt, berichtete die Frau. Einer habe sich direkt vor sie gestellt, mit einem Holzknüppel ausgeholt, sie beleidigt und Gewalt angedroht. Ein Mann, der einzige mit Migrationshintergrund in ihrer Gruppe, sei gejagt worden. Andere wurden geschubst und geschlagen. Bereits zuvor hatten die Rechtsextremen auch andernorts in der Stadt Menschen angegriffen und verletzt, die sie für ihre Gegner hielten, begleitet von Schlachtrufen wie “Adolf Hitler Hooligans”. Gegen insgesamt 27 Männer aus verschiedenen Teilen des Landes hat die sächsische Generalstaatsanwaltschaft deshalb Anklage erhoben, wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch. Nach acht Verhandlungstagen endete am Freitag in Chemnitz der erste von drei Prozessen, in die die Anklagebehörde den Komplex aufgeteilt hat – und es konnte nach der Beweisaufnahme mit den erschütternden Aussagen der zahlreichen Betroffenen kein Zweifel mehr bestehen, dass die Hetzjagd so stattgefunden hatte wie von der Staatsanwaltschaft angenommen. Dennoch wurde niemand verurteilt. Statt ursprünglich neun Angeklagten saßen am Ende gerade noch drei auf der Anklagebank, die Staatsanwalt Thomas Fischer lediglich als “Mitläufer” einstufte. “Ich gehe nicht davon aus, dass sie Rädelsführer waren oder massiv am Geschehen beteiligt waren”, sagte der Anklagevertreter am Freitag und bot an, das Verfahren gegen Zahlung von Geldauflagen einzustellen. (…) Marcel W. hatte bei der Polizei noch recht freimütig zugegeben, dass die Gruppe “auf der Suche nach Antifa-Leuten” gewesen sei und dass er als Ortskundiger den Weg gewiesen habe. Nicht einmal das wiederholte er jetzt. Dem Gericht jedoch reichten diese Geständnisse. Gegen Zahlung von jeweils 1.000 Euro für gemeinnützige Zwecke würden die Verfahren eingestellt, verkündete Strafkammervorsitzender Jürgen Zöllner. Die gleichen Konditionen hatte das Gericht am zweiten Verhandlungstag schon Rico W. (34) aus dem Erzgebirge gewährt, der von sich aus seine Tatbeteiligung gestanden hatte – verbunden mit der Beteuerung, auf keinen Fall rechtsextrem zu sein: “Ich gehöre zu keiner Neonazigruppe, ich war ein besorgter Bürger.” Angeklagte fehlen beim Auftakt Die fünf weiteren Angeklagten hatten bereits beim Prozessauftakt im Dezember gefehlt: zwei, weil ihre Verfahren zuvor ebenfalls eingestellt worden waren, einer, weil er in Bulgarien lebt und nicht geladen werden konnte, und zwei, weil sie für das Gericht nicht greifbar waren. (…) Eine Entschuldigung oder Erklärung bekam weder sie noch irgendein anderer der Betroffenen. Richter Zöllner verlor kein Wort über die lange Verfahrensdauer, auch nicht, als er die Verfahrenseinstellung verkündete. Von einem “demokratischen Totalausfall des Gerichts” sprach Nebenklageanwältin Kati Lang im Anschluss

via hessenschau; Hetzjagd in Chemnitz Verfahren um Neonazi-Angriffe auf Gruppe aus Marburg werden eingestellt

Herrn Zöllner empfohlen: „Auf dem rechten Auge blind…“ Politische Justiz in Potsdam zwischen 1919 und 1933. Die Sonderausstellung „Auf dem rechten Auge blind… Politische Justiz in Potsdam zwischen 1919 und 1933“ blickt kritisch auf die Rechtsprechungspraxis am Potsdamer Amts- und Landgericht in der Zeit der Weimarer Republik.