Viele kennen die Namen der großen Konzentrationslager der Nazis, weniger bekannt sind die KZ, die in einer Welle der Gewalt schon ab Frühjahr 1933 aufgebaut wurden – in aller Öffentlichkeit. Berichte über die unmenschlichen Zustände in den Lagern machten bald die Runde. Die Nazi-Schergen kamen am frühen Morgen. Das Ehepaar Haag wurde gegen gegen fünf Uhr aus dem Schlaf gerissen, vor der Tür standen SA-Männer mit „Sturmriemen unterm Kinn, Revolver, Gummiknüppel“. Sie rissen Kästen auf, warfen die Kleider heraus, stülpten die Schubladen um, durchwühlten den Schreibtisch. „Alles sehr rasch, rücksichtslos, mit einem widerlichen Eifer und sichtlicher Lust. Dabei sind wir ihnen keineswegs fremd, sie kennen uns und wir kennen sie, es sind erwachsene Menschen, Mitbürger, Nachbarn.“ So schilderte die Kommunistin Lina Haag nach Kriegsende die Verhaftung ihres Mannes am 10. Februar 1933, wenige Tage nach der Machtübernahme Hitlers. Der frühere KPD-Politiker Alfred Haag wurde zunächst im KZ Oberer Kuhberg in Ulm inhaftiert. (…) Polizei- und Justizgefängnisse waren durch die Massenverhaftungen bald völlig überbelegt. Kellerräume von Versammlungslokalen der SA dienten vielerorts als provisorische Haftstätten, dazu kamen Kasernen, Arbeits- und Zuchthäuser sowie leer stehende Fabriken und andere Gebäude. Viele der frühen Konzentrationslager wurden inmitten der Städte oder am Stadtrand eingerichtet – in aller Öffentlichkeit. Anwohner konnten (und sollten) die Vorgänge in den Lagern sehen oder hören, als Einschüchterung. (…) Regimegegner wurden ohne Anklage und Beweise inhaftiert. Die Justiz hatte kaum Zugriff, die Lager waren praktisch rechtsfreie Räume. SA- und SS-Männer bekamen weitreichende Befugnisse, politische Gegner zu verfolgen und zu misshandeln. In Preußen ernannte Hitlers zweiter Mann Hermann Göring SA, SS und manche Stahlhelm-Mitglieder im Februar 1933 offiziell zur „Hilfspolizei“. Reichsweit gab es Razzien und Verhaftungen, häufig auf offener Straße. 1933 verschleppten SA, SS und die übernommene Politische Polizei (ab März 1933 in Preußen Gestapo) Zehntausende – die Ausstellungsmacher gehen von mehr als 80.000 Personen aus, einige Schätzungen belaufen sich sogar auf bis zu 200.000. Die Insassen waren permanent Gewalt und Demütigungen ausgesetzt, die schon mit sadistischen „Empfangsritualen“ begannen. Diese führten ankommenden Männern (anfangs waren ausschließlich Männer betroffen) ihre Ohnmacht vor Augen. Ein ehemaliger Häftling des KZ Moringen beschrieb dies nach Kriegsende so: „Bereits den Neuzugängen an Häftlingen wurde ein ,warmer‘ Empfang bereitet. Mit Schimpfworten wie ‚Verbrecher, Schuft‘ empfangen, mussten sie von der Pforte bis zu dem im Hof des Landeswerkhauses liegenden sogenannten Zellenbau durch ein Spalier von SS-Leuten laufen, die mit Stöcken und Peitschen auf sie einschlugen.“ Anzeige Die Schergen drangsalierten Häftlinge jüdischer Herkunft und bekannte Politiker besonders häufig. Walter Lembcke, ehemaliger Häftling des KZ Esterwegen, schilderte nach 1945 die Demütigungen, denen der frühere SPD-Reichstagsabgeordnete Julius Leber ausgesetzt war: „Er hatte in seiner Zelle weder ein Lager noch eine Sitzgelegenheit. Die Zelle war Tag und Nacht verdunkelt. Beim Öffnen der Zellentür musste er sich mit Händen und Füßen den Boden berührend der Tür gegenüber postieren und sich unter Bellen und Gekläff Hundelaute nachahmend melden. Morgens musste er auf allen Vieren durch Antreibung des SS-Unterscharführers Brumm, Karl, zur Latrine laufen.“
via welt: Die Demütigungen begannen schon mit sadistischen „Empfangsritualen“