Sebastian T. wurde vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen. Verurteilt wurde er dennoch für Morddrohungen, Sachbeschädigungen und Sozialbetrug. Für die Opfer ist es ein Schlag ins Gesicht: Der Neuköllner Neonazi Sebastian T. ist von der Anklage der Brandstiftung an den Autos des Linken-Politikers Ferat Kocak und des Buchhändlers Heinz Ostermann freigesprochen worden. Weil die Anklage sich in diesen Punkten nur auf Indizien wie Ausspähungen und Chat-Protokolle stützte, reichte es am Ende nicht zu einem Urteil im Hauptanklagepunkt. Verurteilt wurde T. dennoch vom Amtsgericht Tiergarten am Dienstag für andere Straftaten wie Morddrohungen, Sachbeschädigungen und Sozialbetrug. Am Ende wurde der Neuköllner Neonazi zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt, weil T. ein langes Vorstrafenregister hat und noch immer in der rechtsextremen Szene beim „III. Weg“ organisiert ist – Sozialprognose negativ. Von T. werden zudem noch rund 16.000 Euro eingezogen, die er fälschlich als Sozialleistungen und Corona-Hilfen bezog. Die Generalstaatsanwaltschaft kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Dafür haben sowohl Ankläger als auch Verteidiger eine Woche Zeit. Eines der Opfer der Brandanschläge, Ferat Kocak, kritisierte das Urteil nach der Verhandlung: „Ironischerweise konnte diese Tat nur deswegen bewiesen werden, weil ihr Opfer als ‚Linksextremist‘ von den Sicherheitsbehörden beobachtet wurde“, hieß es in einer danach verschickten Mitteilung, die sich auf die Mordrohungen gegen Antifaschisten bezog. (…) Sebastian T. folgte dem letzten Prozesstag weitgehend ungerührt, bei der Urteilsverkündung lief er etwas rot an, ansonsten blieb er weitgehend still. Auch nach dem Plädoyer seines Anwalts Carsten Schrank hatte er nichts mehr hinzuzufügen. Der als Neonazi-Anwalt bekannte Jurist hatte einen Freispruch gefordert und zuvor sämtliche angeklagten Taten abgestritten oder verharmlost. Dabei hatte er nicht nur die tatsächlich schwer gerichtlich nachweisbaren Brandstiftungen geleugnet, sondern auch Anschläge gegen An­ti­fa­schis­t*in­nen relativiert – mit Hinweisen auf Linksextremismus. Ein kleiner Exkurs zur Rolle von Rudolf Hess im Nationalsozialismus durfte natürlich auch nicht fehlen von seiten des Neonazi-Anwalts. Es sei keine NS-Verherrlichung gewesen, dass sein Mandant Rudolf-Hess-Sticker verklebt hätte, behauptete Schrank. Auch insgesamt blieb das Plädoyer etwas wirr und teils widersprüchlich. Der Neukölln-Komplex bleibt damit auch nach den Gerichtsprozessen gegen T. und P. unaufgeklärt.

via taz: Urteil im Neukölln Komplex :1 Jahr und 6 Monate für Neonazi

siehe auch: Rechtsextreme Anschläge in Berlin-Neukölln Gericht spricht Sebastian T. vom Vorwurf der Brandstiftung frei Im Prozess um eine Serie rechtsextremer Anschläge in Berlin-Neukölln muss ein Angeklagter für eineinhalb Jahre in Haft – wegen Sachbeschädigung und Betrugs. Brandstiftung konnte ihm das Gericht nicht nachweisen. (…) Sebastian T. wurde lediglich für das Anbringen rechtsextremer Aufkleber und Schriftzüge sowie Betrug zu anderthalb Jahren Haft verurteilt. Damit geht das Verfahren nach einem halben Jahr auch zu Ende. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte in dem Prozess T. sowie dem 39-jährigen Tilo P. zur Last gelegt, in einer Nacht im Februar 2018 zuerst das Auto eines Neuköllner Buchhändlers sowie anschließend das des Linkenpolitikers Ferat Kocak gemeinschaftlich angezündet zu haben. Sie wollten damit laut Anklage Menschen, »die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, einschüchtern«. P. wurde von diesem Vorwurf bereits im Dezember freigesprochen . Stattdessen verurteilte ihn das Gericht für das Anbringen von rechtsextremen Schmierereien und Aufklebern zu einer Geldstrafe in Höhe von 4500 Euro. Opfer ausgespäht Bei T. war es nun ähnlich: Für eine zweifelsfreie Verurteilung wegen Brandstiftung habe es nicht gereicht, sagte Richterin Ulrike Hauser. Zwar hätten die beiden die Opfer ausgespäht. »Aber wir haben nichts, was das Ausspähen in direkten Bezug zur Brandstiftung bringt.« Stattdessen wurde der 36-jährige T. für das Anbringen rechtsextremer Aufkleber und Schriftzüge wegen Sachbeschädigung verurteilt. Darüber hinaus wurde er des Betrugs schuldig gesprochen. Beim Bezug von Arbeitslosengeld II hatte er laut Gericht falsche Angaben gemacht. Er erlangte dadurch unrechtmäßig rund 11.000 Euro. Für sein Gartenbauunternehmen erhielt er ohne Anspruch 5000 Euro Coronahilfe. Neben der anderthalbjährigen Freiheitsstrafe ordnete das Gericht deshalb die Einziehung von rund 16.000 Euro an. Insgesamt blieb das Urteil jedoch unter dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft von vier Jahren Haft. Der Verteidiger von T. hatte auf einen Freispruch plädiert. Das Berliner Landeskriminalamt rechnet der Anschlagsserie rund 70 Straftaten zu, darunter mindestens 14 Brandstiftungen und 35 Sachbeschädigungen. Sie wurden überwiegend zwischen Juni 2016 und März 2019 in Neukölln verübt.