Der bayerische NSU-Untersuchungsausschuss interessierte sich aus guten Gründen für Kai Dalek. Der V-Mann des Landesamts für Verfassungsschutz war in den 1990er-Jahren zugleich Kader der militanten Neonaziszene. Früher soll er Linke in Berlin ausgespäht haben. Um den rechtsterroristischen NSU ist es stiller geworden, seit im Sommer 2018 in München die Hauptverhandlung im Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte zu Ende ging. Wer den Prozess beobachtet hat, erinnert sich vielleicht noch an den denkwürdigen Auftritt des Zeugen Kai Dalek, ehemals V-Mann des Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz – und als solcher in den 1990er-Jahren auch eine wichtige Schlüsselfigur der militanten Neonaziszene. Er selbst stellte sich im NSU-Prozess als eher gemäßigten Kader dar – glaubwürdig ist das allerdings nicht, denn er hatte unter anderem Steckbriefe politischer Gegner in das zur fraglichen Zeit bestehende “Thule-Netz” gestellt und somit Gewaltattacken gegen sie mindestens billigend in Kauf genommen. Seine Mailbox “Kraftwerk BBS” betrieb er unter dem Pseudonym “Undertaker”, was soviel wie Totengräber heißt. Er war somit ein Paradebeispiel dafür, wie verschwommen zumindest damals die Grenzen zwischen der Szene und dem Geheimdienst waren. In den 1990er-Jahren lieferte sich Dalek eine Art Revierkampf mit dem Thüringer Tino Brandt, der eine ähnlich wichtige Position in der Neonaziszene des benachbarten Bundeslandes hatte und ebenfalls V-Mann-Honorare bezog, als sich das mutmaßliche Kerntrio des NSU in Jena radikalisierte. Brandts nachweisbare Unterstützungsleistungen für die 1998 untergetauchten “Bombenbastler” aus Jena waren aber zu Beginn des NSU-Prozesses schon verjährt. V-Mann und Pate? Der bayerische V-Mann Dalek war nach eigener Aussage stocksauer, als Brandt in den 1990er-Jahren nach Coburg zog, um ohne Absprache mit ihm das Konzept des “Thüringer Heimatschutzes” auszuweiten. Dalek schien sich demnach als eine Art Pate der bayerischen Neonaziszene zu fühlen, von dem Brandt hätte wissen müssen, dass er gefragt werden muss, wenn eine neue Organisation in “seinem” Gebiet aktiv wird. “Du tanzt nicht in meinem Gebiet ohne Absprache”, will Dalek ihm wörtlich gesagt haben. Dazu habe es ein “Hinterzimmergespräch unter Männern” gegeben, erklärte Dalek 2014 im NSU-Prozess – unklar blieb aber, ob dieses Gespräch von V-Mann zu V-Mann oder von Neonazi zu Neonazi stattgefunden hatte. Dalek bestätigte auf Nachfrage nur, dass er von einer Ansprache Brandts durch den Verfassungsschutz gewusst habe, nicht aber von einer erfolgreichen Anwerbung. Einen fast noch denkwürdigeren Auftritt lieferte Dalek dann vor dem Gerichtsgebäude ab: Vermummt mit einer dunklen Skimaske verlangte der damals 50-Jährige von einem Journalisten, der angeblich zuvor sein Gesicht fotografiert hatte, die Herausgabe der Speicherkarte. Die anwesenden Polizeibeamten versuchte der Vermummte im Ton eines Einsatzleiters herumzukommandieren, um dieses Anliegen durchzusetzen. Unterschied zwischen klassischen V-Leuten, verdeckten Ermittlern und Agenten Nicht nur wegen dieses Auftretens stellt sich bis heute die Frage, ob er überhaupt ein V-Mann im klassischen Sinne oder ein “Profi” war, denn er hatte nach eigenen Worten vor seiner Zeit als “Undertaker” in Bayern die linke Szene in West-Berlin ausgespäht – angeblich für den dortigen Verfassungsschutz und nicht im Auftrag der rechten Szene. V-Leute werden in der Regel in der Szene angeworben, aus der sie dann auch Informationen liefert. Sie bekommen ein paar Tipps von ihren V-Mann-Führern, sind aber in der Regel nicht ausgebildet wie verdeckte Ermittler.

via tp: V-Mann “Undertaker” bleibt mysteriös: Weitere Akten im NSU-Komplex vernichtet