Die Uno klagt in ihrem ersten Bericht zu Afghanistan. Der Grund sind die massiven Menschenrechtsverletzungen seit der Machtübernahme der Taliban. Zwei afghanische Journalisten wurden von den Taliban festgenommen und gefolte Im April dieses Jahres holten Talibankämpfer einen ehemaligen afghanischen Armeeoffizier, der Leibwächter namentlich nicht genannter hochrangiger Mitglieder der Vorgängerregierung gewesen war, aus seinem Haus in der Nordprovinz Samangan und erschossen ihn. Im vorigen November wurden am Straßenrand die Leichen zweier ehemaliger Polizistinnen gefunden, die in Kabul ebenfalls von Taliban festgenommen worden waren. Das sind zwei von 237 solcher Morde im „Stil einer Exekution“, die die UNO in ihrem ersten Bericht zur Menschenrechtslage in Afghanistan aufführt, den sie seit der Machtübernahme der Taliban Mitte August vorigen Jahres veröffentlicht hat. 160 Opfer waren ehemalige Angehörige der Streitkräfte oder des Staatsapparats der Vorgängerregierung. Die übrigen 77 Morde trafen angebliche oder tatsächliche Mitglieder des afghanischen Ablegers des Islamischen Staates (ISKP) oder neuer bewaffneter Anti-Taliban-Gruppen. Dazu kommen mehrere Hundert Fälle „willkürlicher Verhaftungen“ oder des Festhaltens ohne Kontakt zur Außenwelt, 185 Fälle von Folter und Misshandlung – darunter an Journalist:innen und Menschenrechtsaktivist:innen, 118 Fälle exzessiver Gewalt durch Taliban-Polizei und 217 Fälle „grausamer, inhumaner oder erniedrigender Bestrafung“, meist für Vergehen gegen Taliban-Moralvorstellungen. Die UNO berichtet von einer Steinigung und Auspeitschungen bei „Ehebruch“. Ladeninhaber wurden geschlagen, wenn sie Gebetszeiten nicht einhielten, oder Frauen, wenn sie ohne männliche Begleitung einkauften. Geheimdienst und „Moralpolizei“ als Hauptverantwortliche Laut UNO handle es sich bei all dem um „Anschuldigungen“, die sie nach Quellenlage aber als „glaubwürdig“ betrachtet. Sie kann offenbar bisher nicht selbst proaktiv Fälle verfolgen. Deshalb dürfte es eine Dunkelziffer geben. Die UNO verweist auch auf ungeklärte Morde an Menschenrechtsaktivistinnen, lastet sie aber nicht explizit den Taliban an. „Die Taliban tragen Verantwortung für eine breite Palette an Menschenrechtsverletzungen“, resümiert der Bericht. Dabei ragten das Generaldirektorat für Sicherheit (der Taliban-Geheimdienst) und das meist als „Moralpolizei“ bezeichnete „Ministerium für die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters“ als aktivste Akteure heraus. Die „häufiger werdenden Anweisungen“ dieses Ministeriums schränkten „fundamentale Menschenrechte wie die Freiheit der Bewegung, der Meinung und der Privatsphäre“ ein, besonders von Frauen und Mädchen. In dem Bericht fällt auf, wie willkürlich einzelne Taliban-Behörden vorgehen können. Die Taliban ließen den geltenden rechtlichen Rahmen „offenbar bewusst vage“, heißt es. Zudem machen institutionelle Änderungen wie die Auflösung der Menschenrechtskommission es für Afghan:innen „schwerer und gefährlicher“, sich über Übergriffe zu beschweren oder dagegen zu klagen. Die UNO ist nun die einzige Institution im Land, die solche Vorfälle dokumentiert.
via taz: Menschenrechte in Afghanistan :Morde, Folter und Gewalt