Rechtsextreme rufen zur Jagd auf Migranten auf, in Guben ist durchaus Verständnis zu hören dafür. Wer Angst vor rechten Übergriffen hat, erfährt nur wenig Solidarität. “Ich hätte nichts dagegen, wenn die Ausländer von unseren Jungs aufs Maul bekommen”, sagt Erika, die sich längst in Rage geredet hat. Die 70-Jährige hat eben Blumen geholt. Sie will sie gleich ans Grab ihres Mannes bringen. Seit 40 Jahren lebt sie in einem Wohnblock in Obersprucke, einem Stadtteil im Westen der brandenburgischen Stadt Guben. Auf die Frage nach ihrem Nachnamen antwortet Erika nur: “Ne, ne, ne, dann liest das einer von den Ausländern und erkennt mich.” Erika hat mitbekommen, dass Der Dritte Weg, eine rechtsextreme Kleinpartei, in dieser Nacht von Samstag auf Sonntag nach Migranten suchen will. Als Ort des Geschehens wählten die Rechtsextremen Guben, eine Stadt mit knapp 17.000 Einwohnern, die direkt an der deutsch-polnischen Grenze liegt. “Hunderte illegale Grenzübertritte in Brandenburg? Auf zum Grenzgang!”, heißt es in dem Aufruf. Und weiter: “Asylflut stoppen!” Wer mitmachen wolle, brauche wetterfeste dunkle Kleidung, eine Stirnlampe und, wenn vorhanden, ein Nachtsichtgerät. Seit Monaten kommen Migranten und Geflüchtete über Polen nach Deutschland. Die Zahl der Grenzübertritte steigt an. Allein in den ersten drei Oktoberwochen griff die Bundespolizei 3.751 Menschen auf. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko lockt Menschen auf diese Route, um die EU unter Druck zu setzen. Vor allem Iraker, Syrerinnen und Iraner fliegen nach Minsk und werden von belarussischen Soldaten an die EU-Außengrenze gebracht. Hunderte stecken in den Wäldern dort fest. Jene, die es doch schaffen, unbemerkt die Grenze zu passieren, fahren mit Schleusern dann durch Polen weiter in Richtung Deutschland. Fast alle, die man in Guben anspricht, haben von den “neuen Flüchtlingen” gehört. Gesehen hat sie kaum jemand. Die Schleuser peilen meist Frankfurt an der Oder an. Dort werden viele von ihnen durch die Polizei aufgegriffen und in eine Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt gebracht. Trotzdem treibt das Thema die Gubener um, zumal die Stadt schon in der Vergangenheit mit rassistischen Gewalttaten Schlagzeilen machte: Vor gut 20 Jahren verblutete ein Algerier, nachdem er auf seiner Flucht vor Rechten in Todesangst eine Glastür eintrat. Im vergangenen Jahr schlugen im Stadtpark zwei Dutzend Jugendliche vier Asylbewerber nieder. (…I Beim Blumenholen habe sie eben eine Frau getroffen, die das Gleiche über Geflüchtete denke wie sie. “Die Ausländer haben so einen Stapel Geld dabei”, sagt sie, “ja, von wem haben die das denn?” In dem halbstündigen Gespräch gibt sie zahlreiche weitere rechtspopulistische Vorurteile wieder. Dabei betont sie wie so viele, dass sie nicht gegen alle Ausländer sei. Ihre Schwiegertochter habe polnische Wurzeln. In der Klaus-Hermann-Straße, wenige Meter von Erikas Wohnblock entfernt, geht Thomas spazieren. Auch er will seinen Namen nicht nennen, weil er von einer Vergangenheit erzählt, die er hinter sich lassen will. “In Obersprucke und in der Innenstadt ist alles braun”, sagt Thomas. Wer hier wohne, müsse damit klarkommen

via zeit: Rechtsextremer “Grenzgang” in Guben : Angst haben hier alle

siehe auch: Flüchtlingsjagd in Brandenburg – “Sie wollen das Gewaltmonopol des Staates aushebeln”. Seit Wochen strömen Hunderte Menschen über die deutsch-polnische Grenze. Nun wollen Neonazis die Flüchtlinge stoppen. Ortsbesuch in der Grenzstadt Guben, die sich mit einer Bürgerwehr konfrontiert sieht. Der Neonazi Matthias Fischer steht auf einer Wiese an einer Seitenstraße der Stadt Groß Gastrose – und wartet. Fischer und seine Anhänger der rechtsextremen Splitterpartei “Der Dritte Weg” sind in dieser Nacht zu Sonntag nicht weit gekommen: Die Polizei hat die Neonazis hier vor einer Wohnsiedlung angehalten und umstellt. Fischers Gruppe ist martialisch angezogen: Sie tragen Sturmhauben, Taschenlampen und Nachtsichtgeräte. Später wird bei einem aus der Gruppe ein Bajonett gefunden – und noch andere Waffen. Fischer gilt als einer der bekanntesten Köpfe von “Der Dritte Weg”. Seine Truppe war einem Aufruf der rechtsextremen Kleinpartei gefolgt, die an diesem Wochenende Großes vorhatte: Die Neonazis wollten sich in der Nacht an einem sogenannten Grenzgang an der deutsch-polnischen Grenze versammeln. Ihr angebliches Ziel: den Flüchtlingsstrom auf der Belarus-Route aufhalten. Doch daraus wird nichts. Die Polizei greift sich einen nach dem anderen heraus, durchsucht die Männer und Frauen – und auch ihre Autos. (…) Ein anderer Anwohner, der seit 2003 im Ort wohnt und anonym bleiben möchte, beobachtet den Polizeieinsatz gemeinsam mit Freunden aus Cottbus. “Ich wusste bis gerade eben gar nicht, worum es hier geht.” Die Flüchtlingsproblematik in der Grenzregion sei ihm allerdings bekannt. “Die haben hier ja schon genug Flüchtlinge aufgeschnappt. 30 oder 40 letztens erst. Das waren vor allem junge Männer, aber auch Familien.”  Ebenso wie Reiner macht auch er sich keine Sorgen. “Die Rechten lassen die Anwohner in Ruhe, die richten sich ja höchstens gegen Linke und Asylbewerber.” Auch er sieht die Aktion nicht als allzu problematisch an. Im Gegenteil: “Was hier passiert, ist der ganz normale Weg. Es ist deren freies Recht, hier Aktionen zu machen. Die finden das noch lustig, dass sie die Polizei hier binden.”
24-Stunden-Mahnwache: “Die Nazis brauchen Gegenwehr”. Ein Zeichen gegen die Aktion der Rechten will in dieser Nacht dagegen die “24-Stunden Mahnwache” in Guben setzen. Etwa zweihundert meist schwarz gekleidete Personen demonstrieren hier mit Plakaten, Musik und Kundgebungen gegen die Neonazis. Einer von ihnen ist Moritz Haberland. Der 19-Jährige Student aus Cottbus, ebenfalls schwarz gekleidet, eine Antifa-Flagge umgewickelt, arbeitet als Ordner bei der Mahnwache. “Der faschistische ‘Dritte Weg’ will hier eine Menschenjagd veranstalten. Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen. Wir wollen sichtbar sein, zeigen, dass hier Menschen gegen rechts sind.” Haberland sieht in dem Aufruf des “Dritten Wegs” mehr als eine einmalige Provokation. “Guben und das ländliche Brandenburg allgemein sind stark rechts orientiert. Die AfD ist hier sehr stark, in Guben sogar stärkste Fraktion.”