So manch ein Politiker hat bereits nach einer Plagiatsaffäre seinen Doktorgrad eingebüßt. Aber was ist eigentlich ein Plagiat? Und wie sieht es bei Populärliteratur aus – wie im Fall Baerbock? In dieser Woche ist mit den Vorwürfen gegen die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wieder ein Begriff in aller Munde – “Plagiat”. Zu hören ist er dabei oft in Verbindung mit “Urheberrechtsverletzung”, gekontert wird er mit “Wiedergabe von frei zugänglichen Fakten”. Aber was ist überhaupt ein Plagiat, was eine Urheberrechtsverletzung und muss man bei Fakten zitieren? (…) Wie Karsten Gulden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, gegenüber dem ARD-faktenfinder erläutert, spricht man vom Plagiat dann, wenn die Übernahme von Textpassagen bewusst passiere. “Das ist immer dann anzunehmen, wenn der Text so nah am Original ist, dass es denklogisch unmöglich ist, dass dies dem Autor oder der Autorin nicht bewusst war.” (…)
Aktuell weist der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber auf einige Textpassagen in Baerbocks Buch “Jetzt. Wie wir unser Land erneuern” hin, die Formulierungen in anderen Quellen ähneln würden. Bei der Publikation handelt es sich nicht um einen akademischen Text, für den strenge Kriterien des wissenschaftlichen Arbeitens gelten, sondern um populärwissenschaftliche Literatur. Dennoch können natürlich auch außerhalb wissenschaftlicher Texte Urheberrechtsverletzungen stattfinden. Der Rechtsanwalt Christian Schertz, den die Grünen in dem Fall eingeschaltet haben, schreibt in einer Stellungnahme: “Ich kann nicht im Ansatz eine Urheberrechtsverletzung erkennen, da es sich bei den wenigen in Bezug genommenen Passagen um nichts anderes handelt, als um die Wiedergabe allgemein bekannter Fakten sowie politischer Ansichten.”Tatsächlich sind Informationen als solche – etwa, welche Länder bei der Osterweiterung 2004 in die EU aufgenommen wurden – urheberrechtlich frei. (…) Bei den beanstandeten Passagen in Baerbocks Buch handelt es sich um sehr kurze Textausschnitte. Das erhöhe laut Gulden nochmal die Anforderungen daran, ob diese überhaupt schützenswert sind oder nicht. Ob aber Urheberrechtsverletzungen vorliegen, müssten im Zweifel Gerichte entscheiden – allerdings nur dann, wenn die Urheber selbst ihre Ansprüche überhaupt geltend machen
via aktenfinder tagesschau: Geistiger Diebstahl – Was ist überhaupt ein Plagiat?
siehe auch: Vorwürfe gegen Annalena Baerbock – Gezielte Infantilisierung. Wir wissen jetzt: Annalena Baerbock ist keine Heilige. Eine gute Kanzlerin könnte sie trotzdem sein. Denn ihre Fehler sind Lappalien. (…) Die Kanzlerkandidatin der Grünen hat Nebeneinkünfte zu spät beim Bundestag angegeben, etwa das von ihrer Partei gezahlte Weihnachtsgeld. Sie hat ihren Lebenslauf etwas aufgehübscht. Und in ihrem Buch finden sich ein paar Sätze, die sie offenbar mit Copy und Paste aus anderen Veröffentlichungen übernommen hat. Ein Muster wird erkennbar. Baerbock neigt zu jener perfekten, auf Karriere getrimmten Selbstinszenierung, die den Um-die-40-Jährigen, der einstigen Generation Praktikum, gerne zugeschrieben wird. Sympathisch wirkt das nicht. Kann sie dennoch eine gute Kanzlerin sein? Ja, selbstverständlich. Ihre Fehler sind Lappalien, auch wenn sie von den üblichen Verdächtigen – rechten Trollen im Netz, der Bild-Zeitung, CSU-Generalsekretär Markus Blume – zu angeblichen Skandalen aufgeblasen werden. Jene haben ein Interesse daran, die Maßstäbe verrutschen zu lassen, das ist ihr Job. Aber ein bisschen auf die Relevanz schauen sollte man schon. Es ist etwas anderes, ob ein CSU-Verkehrsminister Hunderte Millionen Euro Steuergeld für eine untaugliche Pkw-Maut in den Sand setzt, ob sich Unionsabgeordnete in einer tödlichen Pandemie mit Schutzmasken-Deals die Taschen voll machen oder ob eine Grüne eine fremde Textstelle in ein Buch einbaut.
Brutale Abwehrschlacht der Konservativen. Wie gut Baerbock Politik macht, entscheidet sich nicht an der Frage, ob sie ihre Vita etwas geliftet hat. Sie kann trotzdem hart, klug und gewieft für eine bessere Klimapolitik oder den Abschied von Hartz IV kämpfen. Die persönliche Lebensführung sagt wenig bis nichts über die Fähigkeit aus, die öffentlichen Geschicke klug managen zu können. PolitikerInnen sollten vor allem daran gemessen werden, dass sie ihre inhaltlichen Versprechen einlösen und sich durchsetzen können, also die Interessen jener vertreten, die sie wählen. (…) Die nächste Regierung wird die letzte sein, die die Weichen zur Bekämpfung der Klimakrise stellen kann. Und die deutsche Medienöffentlichkeit diskutiert wochenlang Baerbocks Unzulänglichkeiten? Diese Infantilisierung des Diskurses ist nicht nur schwer erträglich, sie ist unverantwortlich. Dass interessierte Kreise versuchen, mit Ad-hominem-Vorwürfen, also solchen, die auf die Person, nicht auf die Sache zielen, den Diskursraum zu fluten, war vorhersehbar. Über Baerbocks Charakter zu diskutieren ist einfacher als über das deutsche CO2-Budget. Und Abwehrschlachten von Konservativen sind traditionell brutal, wenn sie ihre Hegemonie bedroht sehen.