Wieder haben Querdenker in Berlin demonstriert. Zu sehen waren Menschen, die immer stärker die Konfrontation mit der Polizei suchen – und die Nähe zu Rechtsextremen. Auf der Straße des 17. Juni in Berlin hat ein Mann einen Tipp für die Leute, die ihm zuhören. Er gehe seit acht Monaten maskenfrei einkaufen. Ohne Attest, aber er habe eine eidesstattliche Versicherung geschrieben. Darin stehe, er wolle sich niemals den Corona-Maßnahmen beugen. Niemand fragt, ob er es damit je bis zu einer Wursttheke geschafft hat. Aber er bekommt viel Applaus. (…) Einen wirklichen Austausch von Inhalten kann man hier kaum noch beobachten. Es sind eher Stichworte, die alle zum Kochen bringen, selbst wenn es inhaltlich nicht zusammenpasst. Irgendwer ruft “Bill Gates”, andere nicken wissend. Ein anderer sagt “Lügenpresse”, die Umherstehenden grölen. Die Bundesrepublik ist mal DDR-Unrechtsstaat, mal ein Unternehmen, mal die Inkarnation eines neuen Faschismus. Das Virus ist erfunden und die Impfung ein tödlicher Pilz. Die Polizei soll sich mal verpissen und dann wieder der Gruppe anschließen. Mal ist Jesus die Antwort, mal Liebe, mal Widerstand. Es wehen russische Fahnen neben israelischen und amerikanischen, solchen mit Smileys drauf und mit Regenbogen, mit Stadtwappen von irgendwo und dem Logo von Hertha BSC. Die Bewegung wird anscheinend nur zusammengehalten von einer gemeinsamen Wut auf die Welt.
Männer in Anoraks, Reichsbürger und Hooligans
Hier treffen sich Frauen in den Fünfzigern mit Rucksäcken voller Stullen oder Wecken, je nachdem, aus welchem Teil Deutschlands sie angereist sind. Männer in Funktionsjacken, die sie als Anorak bezeichnen, und die Pappschilder an Holzlatten geklebt haben. Männer, die sich Neonazichiffren ins Gesicht, den Nacken oder auf die Waden tätowiert haben, und andere Rechtsextreme, die bloß optisch nicht so glatzenhaft daherkommen wie die Hooliganfraktion. Compact-Chefedakteur Jürgen Elsässer, der Corona-Leugner und Ex-AfD-Mitglied Heinrich Fiechtner, der sächsische Neonazi Sven Liebich, der am Nachmittag in einem Pullover mit gelbem Stern drauf und dem Tagebuch von Anne Frank in der Hand vor dem Holocaustmahnmal posiert und dafür dann von der Polizei festgesetzt wird. Sie alle sind Teil einer laut Polizeiangaben etwa 8.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer umfassenden Versammlung. (…) Ein paar schaffen es auf anderem Wege offenbar sogar in das Gebäude rein, weil der AfD-Abgeordnete Hansjörg Müller sie mitnimmt. Doch das Gros der Menge wird von der Polizei weiträumig von Reichstagsgebäude und Brandenburger Tor ferngehalten. Beamte werden zu Boden gezerrt Die hat dann allerdings einige Mühe, die Menge dort aufzulösen. Nicht nur, weil die Polizeiketten durch die Sträucher und Bäume nur in kleinen Gruppen vorwärtskommen. Sondern auch, weil die Gruppe mehr und mehr den Konflikt sucht. Immer wieder werden Polizisten von Neonazis angegriffen, wenn die gerade versuchen, jemanden aus der Menge zu ziehen. Beamte werden mit Flaschen und Ästen beworfen, zu Boden gezerrt, geschlagen, getreten und zurückgedrängt. Polizisten reagieren ihrerseits mit Schlägen, Tritten, Schwitzkasten und Pfefferspray. (…) Es ist ein sich wiederholendes Bild an diesem Tag. Beamte ziehen einzelne Personen aus der Menge, Hooligans greifen die Polizisten an, empörte Querdenker rennen ins Getümmel. Sie machen jetzt gemeinsame Sache mit den Rechtsextremen. Für die sind sie willkommene Prellböcke

via zeit: Querdenker-Demonstration -In Wut vereint