In einer Verhandlung vor dem Amtsgericht in Bad Neustadt sprach der Angeklagte sämtlichen staatlichen Institutionen und Organen der Bundesrepublik die Legitimation ab. Es war, als ob zwei Welten aufeinander prallten, als am Amtsgericht von Bad Neustadt gegen einen Mann verhandelt wurde, der aufgrund seiner Haltung der Parallelwelt der “Reichsbürger” zugeordnet werden kann. Er sprach sämtlichen staatlichen Institutionen und Organen der Bundesrepublik die Legitimation ab. Konsequent leugnete der 50-Jährige aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld somit die Zuständigkeit des Gerichts, was ihm bei der Bemessung des Urteils aber gar nicht gut bekam. Schon die äußeren Umstände des Prozesses waren ungewöhnlich: Zwei bewaffnete Beamte sicherten den Sitzungssaal ab. Die Personenkontrolle war verstärkt, dem Pressevertreter wurde die Benutzung von Aufzeichnungsgeräten und eines Tablets untersagt. Der Angeklagte erschien ohne Anwalt, obgleich die Vorwürfe wegen mehrfacher Nötigung und versuchter Erpressung nicht gerade leicht wogen. Diese Haltung spiegelt sich auch in den Vorfällen wider, für die sich der Mann verantworten musste. Im ersten Fall war er mit dem Finanzamt in Konflikt geraten, das ihn zu einer Steuernachzahlung im niedrigen dreistelligen Bereich aufgefordert hatte. Der Mann, der sich selbst als “mittellos” beschrieb und angab, seit sechs Jahren aus gesundheitlichen Gründen keiner Arbeit mehr nachzugehen und auch auf staatliche Unterstützung verzichte, habe seinerseits die Beamten aufgefordert, ihre Legitimation nachzuweisen. Gleichzeitig habe er die Staatsdiener auf eine angeblich fehlende Rechtsgrundlage der Bundesrepublik und den damit aktuell rechtlich gültigen Status des Deutschen Reiches von 1919 aufmerksam gemacht. Sollten die Beamten nicht innerhalb von drei Tagen ihre rechtliche Zuständigkeit vorweisen, werde er sich unter anderem an den Europäischen Gerichtshof und die Alliierten Kommandanturen wenden und von ihnen persönlich Entschädigungen von bis zu fünf Millionen Euro und 1000 Unzen Gold einklagen.
Nach einem ähnlichen Muster verlief eine Auseinandersetzung mit dem Sozialamt, als er nach einer Rechtsstreitigkeit mit einer Lebensgefährtin Mitarbeiter des Jugendamts mit den gleichen Forderungen persönlich haftbar machte. Das Gleiche geschah nach einer Zahlungsaufforderung des Hauptzollamts Regensburg, das dem Angeklagten eine Kontopfändung wegen ausstehender Kfz-Steuern ankündigte. Drei Beamte der Behörde und auch ein Kriminalbeamter schilderten als Zeuge den Kontakt mit dem Mann, der mal über Fax, mal über Telefon abgelaufen war. Belehrungen wegen angeblich fehlender Existenzgrundlage
Immer ausgesprochen höflich erkundigte sich der Angeklagte bei den Zeugen, ob sie sicher seien, dass sie bei den telefonischen Kontakten tatsächlich mit ihm gesprochen hätten. Außerdem mussten die Zeugen sogar während der Verhandlung wieder Belehrungen wegen ihrer fehlenden Existenzgrundlage über sich ergehen lassen. In den schriftlichen Mitteilungen des Angeklagten an die Behörden bezeichnete der Angeklagte die Einrichtungen zudem als “Firma”. Und da er keinen Vertrag mit ihnen unterzeichnet habe, könnten auch keine Forderungen an ihn gestellt werden. Einem Gerichtsvollzieher soll er sogar gedroht haben, ihn zu erschießen, falls der noch einmal sein Grundstück betritt.
via mainpost: Bad Neustadt: Tief im Gedankengut der “Reichsbürger” verhaftet