Seit 2019 gibt es den Verein für politische Bildung in Kamenz. Er gibt sich politisch offen, doch die Nähe zur AfD ist offenkundig. Die Themen heißen „Der Erste Weltkrieg und seine Folgen“ oder „Was läuft schief im Bildungssystem?“. Seit 2019 lädt der Verein zur Förderung der politischen Bildung regelmäßig zu Vorträgen und Diskussionen in Kamenz ein. Nach außen gibt er sich politisch offen. Man wolle über aktuelle und historische Ereignisse debattieren, aber keinesfalls Parteipolitik betreiben, sagt Stefan Reimann, der Vorsitzende des Vereins. Ein Blick auf Mitglieder und Referenten vermittelt allerdings ein anderes Bild. Denn der Verein ist vor allem mit einer Partei verbunden, der AfD. Der Vorsitzende selbst ist AfD-Stadtrat in Kamenz. Als Schatzmeister fungiert der Schriftsteller C. F. Schultze, vor seinem Ruhestand Jurist und jetzt AfD-Stadtrat in Pulsnitz. (…) Auch bei der Auswahl der Referenten ist eine Nähe zur AfD nicht zu übersehen. Als Redner traten auf oder waren angefragt zum Beispiel der AfD-Kreisrat Ralf-Peter Hechtberger und der AfD-Bundestagsabgeordnete Karsten Hilse. Als umweltpolitischer Sprecher seiner Partei im Bundestag stellt dieser den menschengemachten Klimawandel infrage und leugnet offen die Gefährlichkeit der Corona-Pandemie. Zum Vortragsthema Erster Weltkrieg hatte der Verein laut seiner Internetseite Helmut Roewer zu Gast. Der ehemalige Thüringer Verfassungsschutzpräsident musste seinen Posten im Jahr 2000 räumen. Neben chaotischer Amtsführung wurde ihm unter anderem Versagen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus vorgeworfen. Seitdem tritt er regelmäßig als Publizist und Vortragsredner in der rechten Szene auf. Zu Ursachen und Verlauf des Ersten Weltkriegs verbreitet er auf seiner Internetseite szene-typische Verschwörungstheorien. (…) Zu einer anderen Einschätzung kommt Thomas Platz, Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit bei der Landeszentrale für politische Bildung: „Die Besetzung des Vorstandes mit aktiven Parteimitgliedern der AfD deutet darauf hin, dass dieser Verein im politischen Umfeld der AfD angesiedelt ist.“ Dies passe ins Bild: Die AfD habe in den letzten Jahren an unterschiedlichen Orten und in verschiedenen Bundesländern ähnlich gelagerte Vereine und Stiftungen gegründet. Der Kamenzer Verein sei bisher allerdings nicht breit in Erscheinung getreten und der Landeszentrale daher auch nicht bekannt gewesen. Unter guter politischer Bildung versteht Platz, dass auch von parteinahen Trägern eine geistige Offenheit für andere politische Richtungen und eine offene Auseinandersetzung mit anderen Positionen praktiziert werden. „Das unterscheidet politische Bildung von politischer Werbung.“ Darüber hinaus sollten die Ablehnung des Nationalsozialismus und der DDR-Diktatur sowie die Verankerung der demokratischen Grundordnung Grundlage jeder politischen Bildung sein.

via sächsische: Politische Bildung oder Partei-Werbung?

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