Fast drei Jahre nach einer brutalen Attacke von Neonazis auf Journalisten in Thüringen beginnt nun der Prozess. Rein vom Wetter her betrachtet, ist der 29. April 2018 im nordwestthüringischen Landkreis Eichsfeld ein schöner Frühlingstag. (…) Für zwei Göttinger Journalisten, die beruflich in der Gegend unterwegs sind, verläuft dieser Tag weniger erfreulich – und er endet im Krankenhaus. Denn in dem Dörfchen Hohengandern, nahe der Landesgrenze zu Niedersachsen gelegen, werden die beiden Opfer eines brutalen Überfalls durch zwei Neonazis. Die rechten Schläger sind bewaffnet und verletzen die Journalisten schwer. Sie beschädigen ihr Fahrzeug und rauben ihre Kameraausrüstung. Mehr als 15 Monate nach Anklageerhebung beginnt nun am 26. Januar vor dem Landgericht Mühlhausen der Strafprozess gegen die beschuldigten Rechtsextremisten. Die Staatsanwaltschaft wirft den Männern im Alter von 20 und 27 Jahren »gemeinschaftlich begangene Sachbeschädigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und schwerem Raub« vor. Ausgangspunkt des Überfalls ist das »Gutshaus Hanstein« im Eichsfelddorf Fretterode, gut acht Kilometer vom späteren Tatort Hohengandern entfernt. Der von Mauern und Hecken umfriedete Hof in der Dorfstraße 41 gehört seit dem Jahr 1999 dem Neonazi und NPD-Funktionär Thorsten Heise, seit 2002 bewohnen er und seine Familie auch selbst den wuchtigen Fachwerkbau am Ortsrand. (…) Die Flucht führt über die kurvige Landesstraße 1002, durch das Dorf Gerbershausen – und endet schließlich in Hohengandern, wo die Journalisten ihr Auto in einen Straßengraben setzen. Der Fotograf schafft es gerade noch, die Speicherkarte der Kamera zu verstecken, als die Nazis auch schon heranstürmen. Sie greifen zunächst das Auto der Journalisten und dann mit dem Baseballschläger, dem Schraubenschlüssel sowie einem langen Messer und Pfefferspray die Insassen an. Die Scheiben des Fahrzeuges werden zerstört, die Reifen zerstochen, Kamera und Kameratasche des Fotografen entwendet. Einer der Angreifer sticht mit dem Messer zu und trifft den Oberschenkel eines Journalisten. Der andere bekommt einen Schlag mit dem Schraubenschlüssel auf den Kopf. Er erleidet einen Bruch des Schädelknochens und eine Kopfplatzwunde. Nach der Attacke ziehen sich die Täter in dem BMW zurück. Anwohner verständigen auf Bitten der erheblich blutenden Reporter den Rettungsdienst und die Polizei. Noch am selben Tag durchsuchen Beamte das Grundstück Heises nach möglichen Beweismitteln. Heise lässt sie »auf freiwilliger Basis gewähren«, teilt die Polizei später mit. Der Tat dringend verdächtig und später angeklagt werden die Neonazis Gianluca Bruno und Heises ältester Sohn Nordulf. Beide wohnen damals in Fretterode, und beide sind einschlägig bekannt. Bruno gilt als politischer Ziehsohn Thorsten Heises, der ihn seit Jahren innerhalb der NPD fördert und protegiert. Bis zum Sommer 2018 ist Bruno stellvertretender Vorsitzender der NPD in Niedersachsen und Vorsitzender des Göttinger Kreisverbandes. Nach dem Angriff auf die Journalisten verschwindet sein Name aber vom offiziellen Internetauftritt der Partei. Im Januar 2016 hat sich Bruno laut Zeugenaussagen auch an den schweren Ausschreitungen von Neonazis im links geprägten Leipziger Stadtteil Connewitz beteiligt. Nordulf Heise, der jüngere der Angeklagten, ist schon als 15-Jähriger bei Nazi-Events mit von der Partie. 2016 beteiligt er sich in Duderstadt an Angriffen auf Antifaschisten. Beim von Vater Thorsten organisierten »Schild-und-Schwert«-Festival im sächsischen Ostritz fungiert er als Ordner. Das mehrtägige Event soll der Szene Kampfsport, Musik und Austauschmöglichkeiten bieten.

via nd: Mit Messer, Keule und Schraubenschlüssel