»Das war es auch schon. Sehen Sie. War doch gar nicht so schlimm, oder?« Der Polizist gibt mir meinen Reisepass zurück. Er grinst dabei. Mir ist nicht zum Lachen zumute. Fast alle, die aus Griechenland einreisen, würden kontrolliert werden, sagt er. Ich schaue demonstrativ nach vorne und hinten. Die einzige Person, die von den vier Beamt*innen angehalten und auf Englisch gefragt wird, wohin es denn gehe, bin ich. Woher ich komme. Wo ich wohne. Was ich im Ausland gemacht habe. Dann ist meine Reisebegleitung dran. War doch gar nicht so schlimm. Nur wenige Wochen ist diese Begegnung her. Was ich in solchen Situationen empfinde – Wut, Trauer oder Demütigung? -, weiß ich schon lange nicht mehr, denn ich habe dafür einen Automatismus entwickelt: Ich frage, wieso ich angehalten werde, was der Grund für die Kontrolle ist und ob auch andere kontrolliert werden. Nach der Kontrolle bleibe ich gerne in Sichtweite stehen und schaue, ob noch jemand angehalten wird. So auch an jenem Tag. Ich werde von den Beamt*innen dabei beobachtet. Kurze Zeit später halten sie ein Pärchen an. Beide PoC, People of Color, also phänotypisch nichtweiße Deutsche. Dass sie, zumindest auf dem Papier, Deutsche sind, erkenne ich an ihren Reisepässen. Das war’s. Wir vier also. Die einzigen Nichtweißen aus dem Flieger. Nichts Neues. Eine weitere Kontrolle von zahlreichen. Es sind so viele. Und doch kann ich mich an fast alle erinnern. Selbst an die in meiner Kindheit. Die an der Grenze zu Dänemark, wenn mein Vater aussteigen musste und Schäferhunde unser Auto durchsuchten. Die am Hamburger Hauptbahnhof, wenn ich mit meinem Bruder unterwegs war. Die am Mannheimer Hauptbahnhof. Die am Berliner Bahnhof. Die an jedem Flughafen. Die vor unserer Haustür. (…) War doch gar nicht so schlimm. Und tatsächlich denke ich mir: Ja. War doch gar nicht so schlimm. Vielleicht hatten wir einfach nur Glück? Aber was ist mit Oury Jalloh? Oder Achidi John, Christy Schwundeck, Yaya Jabbi, Amad Ahmad oder Mohamed Idrissi und den über 160 Toten, die laut der Organisation Death in Custody, seit 1990 Opfer von institutionellem Rassismus wurden?

via nd: War doch gar nicht so schlimm – Wie Racial Profiling einem die Sprache verschlägt