Einer der Tatverdächtigen der rechtsextremen Anschlagserie in Berlin-Neukölln soll bereits im Februar 2018 einen mutmaßlichen Mittäter belastet haben. Die Aussage wurde als Vermerk protokolliert, wie rbb24 Recherche und die “Berliner Morgenpost” einsehen konnten. (…) Denn Tilo P., so der Name des Neonazis, geht dem Beamten und seinen Kollegen auf die Nerven. Sie sind sicher, dass der Rechtsextremist zu den Männern gehört, die immer wieder Autos anzündeten, um Menschen einzuschüchtern, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Den Ermittlern liegen dazu viele Indizien vor. Doch es fehlen die Beweise.
“Keiner kann es T. nachweisen” An jenem 5. Februar begleitet Hauptkommissar Meier Tilo P., den Mann, dem er und seine Kollegen nichts nachweisen können, nach Abschluss einer “polizeilichen Maßnahme” zum Ausgang des Landeskriminalamtes. Er will sich verabschieden. Doch nun, schon auf dem Bürgersteig, redet Tilo P. plötzlich Klartext. “Wir wissen doch alle, wer die Autos anzündet”, sagt er. “Sie wissen das, ich weiß das, alle anderen wissen das. Aber keiner kann es T. nachweisen.” Man darf vermuten, dass Hauptkommissar Meier seinen Ohren nicht traute. Denn Tilo P. bezog seine Bemerkung auf seinen langjährigen Kumpel Sebastian T. Der damals 31 Jahre alte Mann ist den Ermittlern bestens bekannt. Als Neonazi. Als Gewalttäter. Als mutmaßlicher Drahtzieher der Neuköllner Anschlagsserie. Der Polizeihauptkommissar fragt Tilo P. nach dessen Bemerkung, ob er ihn dazu förmlich vernehmen könne. Doch Tilo P. ist dazu nicht verpflichtet und hat keine Lust. Hauptkommissar Meier bleibt nicht mehr, als die Begegnung in einem Vermerk für die Ermittlungsakten festzuhalten. Die Frage, ob es später einen weiteren Versuch gab, Tilo P. oder Sebastian T. zu der Bemerkung zu vernehmen, ließen Polizei und Staatsanwaltschaft mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen unbeantwortet. (…) Einige Betroffene der Anschlagsserie demonstrieren angesichts der Pannen und Ungereimtheiten jeden Donnerstag vor dem Landeskriminalamt. Initiiert wurden die Kundgebungen von Christiane Schott. Schott ist Sozialarbeiterin und leidenschaftliche Kämpferin gegen den Rechtsextremismus – und auch sie bekam dafür die Quittung. Schon im November 2011 wurde das Fenster des Zimmers ihrer Tochter von einem Pflasterstein zertrümmert. Ein halbes Jahr später explodierte ihr Briefkasten. Ein Brandsatz aus Teer wurde nur von dem Gitter abgefangen, das sie nach den ersten Attacken vor dem Fenster hatte anbringen lassen. Die Täter zerstachen die Reifen des Autos ihrer Tochter. Christiane Schott ist eine der Hauptbetroffenen der Neuköllner Anschlagsserie. Die Polizei führt sie allerdings mittlerweile nicht mehr nur als Opfer – sondern auch als mutmaßliche Straftäterin. Die Behörde wirft ihr vor, eine Demonstration vor dem Landeskriminalamt am Tempelhofer Damm im Juli dieses Jahres nicht korrekt angemeldet zu haben.