Bei einer Demo in Ingelheim scheint die Polizei Hunderte Menschen in Lebensgefahr gebracht zu haben. ZeugInnen berichten von massiver Gewalt. Als Amelie F. spontan entschied, mit Freundinnen zu einer Kundgebung gegen Rechtsextreme zu fahren, ahnte sie nicht, dass sie später sagen würde: „Ich habe um mein Leben gefürchtet.“ Die 27-Jährige promoviert in Soziologie und hatte bereits beruflich mit der Polizei Mainz zusammengearbeitet, mit positiven Erfahrungen. Jetzt sei ihr Bild ein anderes. Am Samstag, den 15. August, hielt die Partei Die Rechte, bekannt unter anderem für Holocaustleugnung, in Ingelheim bei Mainz eine Kundgebung ab. Es kamen etwa 20 Menschen. Nun häufen sich Berichte über Polizeigewalt bei angemeldeten Gegenkundgebungen. Die Polizei Mainz hat Aufklärung angekündigt und eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Polizeivizepräsidenten eingerichtet. Antworten würden einige Zeit in Anspruch nehmen, so ein Sprecher auf Anfrage der taz. (…) Direkt nach Ankunft am Bahnhof Ingelheim wurden etwa 100 Bürger:innen von der Polizei in einen engen Tunnel getrieben. Videos zeigen den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray an beiden Ausgängen. Menschen schreien nach Luft. Auch Polizist:innen sind auf Videos im Tunnel zu erkennen. Sie schreien und schlagen mit ihren Schlagstöcken gegen die niedrige Decke. Sämtliche Zeu­g:innen sagen, sie wüssten nicht, warum die Polizei sie in den Tunnel drückte. Es sei nichts vorgefallen. „Es wurde nur skandiert, ‚Antifascisti‘ oder so was“, sagt Amelie F. „Es war klar, wir zeigen: Wir sind hier gegen die Nazis. Aber dann gab es Gedränge. Von hinten und von vorn.“ Zeug:innen berichten von Panikattacken, Platzwunden und Zusammenbrüchen im Tunnel. Artemis C. sagt: „Die Polizei hat von beiden Seiten gedrückt, sodass Leute Atemnot bekamen.“ Andere Zeug:innen schildern dasselbe. „Ich bin an Polizei gedrückt worden, die im Tunnel stand“, sagt Spike M. „Die waren auch vollkommen außer sich – ich hab auch keine Luft bekommen. Alle Leute, mit denen ich geredet habe – es war der absolute Horror.“
Irgendwann habe die Polizei einen Ausgang geöffnet: den, der wegführte von der Stadt. Die Bür­ger:innen im Tunnel seien von der Polizei dann zu einer Gegenkundgebung getrieben worden: Einer laufenden Kundgebung, die für 75 Menschen geplant war. „Als wir ankamen, war mit etwa 50 Fahrzeugen und Gittern ein Zaun um die Kundgebung gebaut und dann wurden wir reingedrängt“, sagt Amelie F. „Man kam nicht raus, es war wie eine Mauer. Alle wurden reingepfercht, ohne Grund.“ Zeug:innen sagen, die Polizei habe die Menschen in Gewahrsam trotz Hitze nicht mit Wasser versorgt. Frauen hätten in Begleitung männlicher Polizisten ohne Sichtschutz urinieren müssen. „Als Vertrauensmann der Daimler AG ist mir da, also, ich hab mich wirklich beherrschen müssen“, sagt Richard G. „Ich bin für die IG Metall angereist, um die Respekt-Aktion aus Frankfurt zu unterstützen. Aber die waren wirklich eskalierend, die Polizisten.“

via taz: Polizeigewalt bei Demo in Ingelheim: Blut und Panik im Tunnel

siehe auch: „Blut und Panik im Tunnel“: Interviews. Bei einer Demo in Ingelheim scheint die Polizei Hunderte Menschen in Lebensgefahr gebracht zu haben. Zeug:innen berichten von massiver Gewalt. Dies ist der Text, den ich für die taz über die Ereignisse am 15.08.20 geschrieben habe. Hier findet ihr wie angekündigt: Einige der Interviews, die ich am 17.08.20 mit Betroffenen geführt habe. Sie erscheinen mit ihrem Einverständnis. Wichtig: Es handelt sich hier um subjektive Schilderungen. Das bedeutet nicht, dass nicht stimmt, was ihr lest. Aber Menschen, vor allem Menschen in Panik, können sich irren. Oder auch nicht – aber es ist wichtig, das im Hinterkopf zu behalten. Die Namen der Betroffenen sind auf ihren Wunsch geändert. Ich selbst achte vor allem auf Folgendes: Wo stimmen die Schilderungen überein? Widersprechen Sie sich? Falls ja, bei was? Gibt es offene Fragen?

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Von Pixabay – <a rel=”nofollow” class=”external free” href=”https://pixabay.com/pt/brutalidade-demonstra%C3%A7%C3%A3o-homem-152819/”>https://pixabay.com/pt/brutalidade-demonstra%C3%A7%C3%A3o-homem-152819/</a> <a rel=”nofollow” class=”external text” href=”https://web.archive.org/web/20190118221224/https%3A//pixabay.com/pt/brutalidade-demonstra%25C3%25A7%25C3%25A3o-homem-152819/”>Archivkopie</a>, CC0, Link