Die Uomo-Qualunque-Bewegung wurde nach ihrer Entstehung im August 1945 zu einem neuen Sammelpunkt der Anhänger Mussolinis. Drei Monate nach der Niederlage des Faschismus ging am 8. August 1945 in Italien eine Bewegung an die Öffentlichkeit, die sich – obwohl sie sich zunächst noch nicht offen als faschistisch ausgab und sich auch noch nicht als Partei konstituierte – das Ziel setzte, wieder eine faschistische Herrschaftsform zu errichten. Das war die in Rom gebildete Gruppierung »Uomo Qualunque«, die »der in der Resistenza geborenen Demokratie tiefgehend feindlich gegenüberstand«.¹ Die Bewegung mit dem vollen Namen »Front des Mannes der Straße« (Fronte dell’Uomo Qualunque, auch mit Jedermannsfront übersetzbar) war aus einer im Dezember 1944 in Süditalien unter der Schirmherrschaft der Alliierten Militärregierung zugelassenen Zeitschrift gleichen Namens hervorgegangen. Deren Herausgeber war der Schriftsteller und Journalist Guglielmo Giannini, der sich gelegentlich kritisch zu Mussolini äußerte. Die Zeitschrift erschien unter der im August 1945 gebildeten Bewegung weiter, und ihre Auflage »stieg in einer für Italien bis dahin unbekannten, rasanten Weise auf siebenhunderttausend Exemplare und erreichte bisweilen Millionenhöhe«.²
Strategie der Organisation Um die Bewegung nicht direkt durch die Mussolini-Vergangenheit zu kompromittieren, traten die aktiven Faschisten in ihr zunächst nicht offen in Erscheinung. Uomo Qualunque präsentierte sich als Antipartei und unpolitische Organisation, wandte sich gegen die »Parteienherrschaft« und »Parteienaristokratie«, rief zum Kampf gegen die Verwaltungsbürokratie sowie gegen das bürgerlich-parlamentarische System und seine Institutionen auf, denen sie Unfähigkeit und Korruption vorwarf, und trat für die Monarchie ein. Während sie erklärte, gegen links und rechts zu sein, bekämpfte sie offen die linken Parteien, diffamierte Antifaschisten als »Vaterlandsverräter« und schürte einen aggressiven Revanchismus und Antikommunismus. Die Gruppierung versuchte, »die Unzufriedenheit der Bevölkerung, deren Hoffnung auf eine schnelle Überwindung der ökonomischen Notsituation enttäuscht worden war, zu instrumentalisieren«.³ Als Uomo Qualunque ungehindert agieren konnte, wagten sich zahlreiche alte Mussolini-Anhänger, die sich unmittelbar nach Kriegsende aus Angst vor Verurteilungen zunächst ruhig verhalten hatten, wieder an die Öffentlichkeit und organisierten sich in zahlreichen halblegalen, größtenteils paramilitärisch aufgebauten faschistischen Gruppen. Sie bezeichneten sich als revolutionäre Aktionsbünde, Antikommunistische Monarchistische Abteilungen, Antikommunistische Geheimarmee, Antibolschewistische Front, Nationale Arbeiterpartei, Sozialistische Republikanische Partei, aber auch bereits wieder offen als »Sturmabteilungen Mussolinis«. Bezeichnungen wie Revolutionäre Aktionsbünde (Fasci d’Azione Rivoluzionaria, FAR) gingen direkt auf pseudorevolutionäre Namen aus der Gründerzeit der faschistischen Bewegung unter Mussolini zurück. Gründer der FAR, in denen sich der »harte Kern« der alten Faschisten zusammenschloss, war der ehemalige Staatssekretär des »Duce«, Giorgio Almirante, ein führender Ideologe, der unter anderem Mitherausgeber der faschistischen Tageszeitung Tevere und des rassistischen Hetzblattes Difesa della razza gewesen war. Er hatte noch kurz vor Kriegsende einen Hinrichtungserlass gegen Partisanen unterzeichnet. Aus den FAR gingen führende Vertreter des italienischen Nachkriegsfaschismus hervor, darunter der Gründer der berüchtigten Terrororganisation Neue Ordnung (L‘Ordine Nuovo, nicht zu verwechseln mit der von Gramsci 1919 gegründeten gleichnamigen Zeitschrift), Giuseppe »Pino« Rauti. Mit Propaganda und Terror wurden der »Duce« und das faschistische Regime glorifiziert, es gab Feiern zur Wiedergeburt der Salò-Republik, in Städten und Dörfern wurden Hakenkreuze und Rutenbündel an Mauern und Häuserwände gemalt, Antifaschisten überfallen und misshandelt sowie Widerstandsdenkmäler geschändet. Besonderes Aufsehen erregten die Entführung des Leichnams Mussolinis vom Mailänder Friedhof am 23. April 1946 und der Überfall auf die römische Rundfunkstation Monte Mario mit anschließender Ausstrahlung der faschistischen Hymne »Giovinezza«. Die Faschisten demonstrierten so ihre Präsenz, schüchterten Teile der Bevölkerung ein und setzten progressive bürgerliche Persönlichkeiten unter Druck, um den antifaschistischen Demokratisierungsprozess zu beenden oder zumindest zu bremsen.