Umdeuten, verzerren, entmenschlichen: Sprache ist die wichtigste Waffe im Kampf für einen völkischen Umsturz. Extremismus-Forscherin Natascha Strobl seziert die Strategien der Rechten. Die Strategie des Kampfes um Sprache ist nicht neu. Zum ersten Mal für die extreme Rechte hat ihn die Nouvelle Droite, die neue Rechte, in Frankreich, in den 50er und 60er Jahren ausformuliert. Statt sich um Wahlerfolge und Parlamentssitze zu bemühen, verlegte man den Kampf auf die kulturelle Ebene. Ziel war nicht mehr eine erfolgreiche Wahlpartei, sondern die Erringung der kulturellen Hegemonie. Diese Strategie von rechts basiert auf den Ideen des marxistischen Theoretikers Antonio Gramsci. Gramsci formulierte im Gefängnis des italienischen Faschismus seine Hegemonie-Theorie aus. Demnach reicht es nicht, sich an die Spitze des Staates zu putschen, vielmehr müssen die eigenen Vorstellungen einer guten Gesellschaft auch von dieser akzeptiert und als legitim angesehen werden. Diese Debatte findet nicht auf Ebene von Parteien, sondern im vorpolitischen Raum statt, an den Stammtischen, auf dem Marktplatz, in den Medien, am Arbeitsplatz usw. In einer komplexen (Post)Industriegesellschaft geht es darum, die eigenen Idee in diesen Räumen zu verankern. Gramsci, als Marxist, vernachlässigt aber keinesfalls die ökonomische Ebene. Zugleich geht es bei ihm in einem sehr demokratischen Ansatz darum, alle an diesen Debatten teilhaben zu lassen. Die Nouvelle Droite nimmt Gramscis Theorie und macht sie für rechts nutzbar. Dabei geht jeder ökonomische und demokratische Ansatz verloren. In diesem Gramscianismus von rechts bleibt die Idee eines metapolitischen Raumes über, den es zu besetzen gilt. Dies soll nicht geschehen, indem Marginalisierte an Debatten teilhaben, sondern indem Multiplikator_innen und schon traditionelle Eliten einer Gesellschaft nach rechts gezogen und mit entsprechenden Inhalten und Strategien versorgt werden. Denn neben einer nur marginal aktualisierten Themenvariation ist vor allem die Strategien das Neue in dieser Art des Rechtsextremismus. Mit den großen Fluchtbewegungen von 2015 hat die extreme Rechte ihren Hauptfokus gefunden. Während die Zivilgesellschaften in Europa Hilfsbereitschaft und Solidarität zeigten, trommelten die entsprechenden rechten Magazine und Blogs gegen diese. Im Zentralorgan der deutschsprachigen Neuen Rechten, der „Sezession“, wurden die Fluchtbewegungen und die ankommenden Menschen schon 2015 und in den folgenden Jahren als „Siedler“ oder „Invasion“ bezeichnet.
Besonders die „Identitäre Bewegung“ hat unmittelbar massiv gegen eine menschliche Asylpolitik protestiert. Dazu zählten Blockaden an den Grenzen und eine großangelegte Kampagne. Mit Slogans wie „Stoppt den (großen) Austausch“, „No way!“ (angelehnt an eine Kampagne der australischen Regierung, die Flüchtlinge zur Umkehr bewegen soll) oder dem Hochhalten der „Festung Europa“ wurde auch sprachlich aufgezeigt, wo es in den Jahren darauf hingehen sollte. 2015 ist die Situation, die nie hätte eintreten dürfen. Sie ist eine Niederlage. Die Stunde null, ab der die aktuelle Zeitrechnung anfängt. Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung Österreich und Chefideologe der Identitären, beschreibt das Jahr 2015 in seinem Nachwort zu „Revolte gegen den großen Austausch“ mit Texten von Renaud Camus, das 2016 erschienen ist, in epochalen Worten: „Die beispiellose Flüchtlingsflut 2015 ist wie ein Albtraum über Europa hereingebrochen.“ Die öffentliche Stimmung drehte sich, als große gesellschaftliche Akteur_innen dieses Katastrophen-Narrativ übernahmen. Dies geschah vor allem nach der Silvester-Nacht von Köln 2015/16, die sinnbildlich für vermeintlich importierte Frauenverachtung und gescheiterte Integration steht. Die Sprache der Rechten: Die Rationalisierung – „Der Große Austausch“ Das Konzept des „Großen Austauschs“ wurde von dem französischen rechtsextremen Philosophen Renaud Camus entwickelt. Populär wurde es durch die Kampagnisierung der Identitären. 2016 erschien im Antaios Verlag von Götz Kubitschek ein Büchlein mit verschiedenen Reden und Schriften von Camus, das den Titel „Revolte gegen den großen Austausch“ trägt und mit Fahnen der Identitären bebildert ist. Die Veröffentlichung traf genau mit den Fluchtbewegungen von 2015 und den rechtsextremen Mobilisierungen der Identitären zusammen. Schon auf diesen inszenierten sich die Identitären als Kämpfer gegen einen vermeintlichen Austausch. Auf Transparenten, in Interviews, auf Stickern, in Videos, T-Shirts und auf Flyern machten sie dies deutlich. Der „Große Austausch“, wie ihn Camus beschreibt und die Identitären kampagnisieren und als ursächlich für die Fluchtbewegungen sehen, ist eine rechtsextreme Verschwörungstheorie. Sie komprimiert die drei großen Stoßrichtungen des aktuellen um Diskurshoheit kämpfenden Rechtsextremismus: Antisemitismus, Rassismus und Anti-Feminismus. Diese Verschwörungstheorie zeichnet eine westliche Welt, die durch den Feminismus komplett geschwächt ist, weil dieser ursächlich für geringe Geburtenraten und besiegte, schwächliche Männer ist. Dadurch stirbt Europa als Kulturraum langsam aus.
Die Sprache der Rechten: „Ethnisch wünschenswerter Nachwuchs“ An diesen Vorstellungen lässt sich gut die im Grunde rein völkische Haltung dieser Idee zu erkennen. Es geht um ethnisch wünschenswerten Nachwuchs. Ethnisch wünschenswert heißt, dass die Eltern weiß und europäisch sind, keine Krankheiten haben usw. Ohne Feminismus würden Frauen nicht auf Ideen wie finanzielle Unabhängigkeit oder Arbeiten oder Verhütung kommen und ihrer eigentlichen Rolle gerecht werden, der des Kinderbekommens.

via fr: „Die extreme Rechte fantasiert einen Kriegszustand herbei“: Die Rechten und die Sprache