Am ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald zeigt Deutschland seine hässliche Seite: Hakenkreuze werden geschmiert, der Holocaust wird geleugnet. Wer dagegenhält, wird bedroht. Der Hass kommt per Dienstpost. Zwei Seiten, ausgerissen aus der »Hildesheimer Allgemeinen Zeitung«. Ein großes Bild zeigt Jens-Christian Wagner, ein Unbekannter hat ihm eine Sprechblase neben den Kopf gemalt. Darin steht: »Ich bin ein widerliches Stück hebräische Scheiße. Ich bin Jude und zelebriere den Schuldkult und Erinnerungsterror.« Wagner ist Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Der Dienstsitz des Historikers ist am ehemaligen Konzentrationslager auf dem Ettersberg bei Weimar. Zwischen 1937 und 1945 waren in dem Lager 278.000 Gefangene aus mehr als 50 Ländern eingepfercht. 56.000 von ihnen starben dort. Es ist ein Ort des Grauens und der Trauer, doch viel zu oft müssen sich Wagner und seine Mitarbeiter mit Ewiggestrigen aller Couleur auseinandersetzen. In immer kürzeren Abständen geht widerliche Post ein, werden Hakenkreuze geschmiert, wird offen und laut der Holocaust geleugnet. »Verwahrlosung der Geschichtskultur« Der 57-Jährige hat einen Ordner angelegt mit antisemitischen Mails und Briefen, die ihn in seiner Gedenkstätte erreichen. Da schreibt ein Mann, der sich Frank Scholz nennt, im September: »Zu den toten Juden gibt es jeden Tag etwas, jeden Tag ein Aufschrei. Zu den Indianern nix, maximal ein Western…« Ein anderer schwurbelt: »Sind die orthodoxen Juden nicht an unserer Seite vereint? Sagen sie nicht wie wir: ›Holocaust‹ gab es nicht!« Die Wannseekonferenz, die Gaskammern, die Opferzahlen – das alles seien Erfindungen und Übertreibungen. Wagner sitzt in seinem Büro auf dem Ettersberg, einer ehemaligen SS-Kaserne, und schüttelt den Kopf. »Wir erleben eine komplette Verwahrlosung der Geschichtskultur.« Das habe schon 2015 begonnen, aber mit Corona, dem Krieg in der Ukraine und dem Terror der Hamas in Israel habe sich die Lage immer weiter verschärft. Selbst die Begriffe »Nazi« und »Faschist« würden immer beliebiger. Inzwischen bezeichne selbst der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, der nach einem Gerichtsurteil selbst als Faschist bezeichnet werden darf, seine Gegner als Faschisten. »Da ist etwas ins Rutschen gekommen in Deutschland«, findet Wagner, der seit mehr als 20 Jahren verschiedene NS-Gedenkstätten leitet. Sein Fazit: So heftig wie jetzt war es noch nie.

via spiegel: Hass gegen Gedenkstätte – Der Terror der Rechtsextremen in Buchenwald