Er ist in den vergangenen Wochen in aller Munde: der Begriff der Verfassungsfeindlichkeit. Doch was verbirgt sich dahinter? Pauline Engels wirft einen rechtshistorischen Blick darauf. Der Begriff der Verfassungsfeindlichkeit wird durch die Rechtsprechung geprägt und dabei nie eindeutig definiert. Das ist kein Versäumnis, sondern Absicht. Denn auch der Blick darauf, was eine Gefahr für die rechtsstaatliche Ordnung ist, hat sich verändert.   Aktuelle Beispiele gibt es mehrere. Nach der ersten Etappe der Europawahlvorbereitungen der Alternative für Deutschland (AfD) stand beispielsweise fest: Der Einfluss der verfassungsfeindlichen Strömungen innerhalb der Partei wächst – so jedenfalls lautete zumindest die Einschätzung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang. Verfassungsfeindliche Tendenzen sah auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg in dem Verhalten eines Polizeianwärters, der auf Social Media wiederholt Beiträge der Neuen Rechten geliked hatte. Er habe durch die Billigung der den Nationalsozialismus verharmlosenden Beiträge gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen. Und ein im Kreis Sonneberg gewählter AfD-Politiker hat nach seiner Wahl zum Landrat einen “Verfassungstreue-Check” überstanden.  Ist automatisch verfassungsfeindlich, wer nicht verfassungstreu ist?   Diese und weitere Ereignisse haben eines gemeinsam, nämlich die Anknüpfung an den Begriff der Verfassungsfeindlichkeit. Was verfassungsfeindlich ist, beurteilt das BfV bzw. dessen Ableger in den einzelnen Bundesländern. Gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) geht es dabei vor allem um Bestrebungen, die gegen die Freiheitliche Demokratische Grundordnung (FDGO) gerichtet sind. Informationen über solche Bestrebungen sammelt das BfV gezielt, wertet sie aus und erstellt Berichte. In diesen Berichten geht es zum Beispiel auch um Reichsbürger, Linksextremismus und islamistischen Terrorismus. Dabei hat (bis auf wenige Ausnahmen, etwa für Beamte) niemand die Pflicht, sich verfassungstreu zu verhalten. Zweifel an einzelnen Elementen der Verfassung darf man also haben und auch äußern. Die Grenze verläuft da, wo es sich eben nicht mehr nur um eine Meinung handelt, sondern um das Vorhaben, die FDGO als solche zu beeinträchtigen oder gar zu beseitigen. Davon geht das BfV etwa bei der Planung von Anschlägen aus. In diesen Fällen, in denen Einzelne (oder auch Parteien, wie aus Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) hervorgeht) der FDGO gefährlich werden, gelten die Garantien der FDGO als Maßstab.

via lto: Was ist eigent­lich “ver­fas­sungs­feind­lich”?