Die AfD verharmlost Reichsbürger und tut sich mit der Distanzierung schwer. Kein Wunder: Das Reichsbürger-Milieu ist Resonanzraum für die Partei. Der Dachdecker Frank Haußner steht auf dem Marktplatz in Zeulenroda hinter einem Redepult, an dem eine Fahne mit dem Familienwappen des Adelsgeschlechts Reuß befestigt ist. Der Mann mit etwas schütterem grauem Haar heißt im thüringischen Dialekt mehrere Dutzend Demonstrierende mit Deutschland-, Russland- und Thüringenfahnen in der Kleinstadt willkommen. Oder wie er es nennt: „Zeulenroda in Ostthüringen, Fürstentum Reuß, ältere Linie.“ Haußner ruft: „Nein, die am vergangenen Mittwoch Festgenommenen waren keine verwirrten Kreise. […] Sie agierten in Sorge um die Zukunft unseres Volkes. Sie waren Akteure im Widerstand gegen ein Unrechtssystem, Teil der Wahrheitsbewegung, Teil der Freiheitsbewegung. Und sie sind es immer noch trotz Inhaftierung!“ Im Anschluss ziehen rund 150 Personen mit Fackeln, Trommeln und Trillerpfeifen durch Zeulenroda. Haußner, offenkundig Anhänger des wegen Terrorverdachts festgenommenen „Prinzen“ Heinrich Reuß, bleibt diesem auch nach dessen Verhaftung treu. Er findet es offenbar nicht lustig, wenn man die Reichsbürgergruppe als „Verwirrte“ oder „Spinner“ darstellt. Sein 71-jähriger „Fürst“ ist zusammen mit 24 weiteren Personen in der Vorwoche als mutmaßliches Mitglied einer terroristischen Vereinigung namens „Patriotische Union“ inhaftiert worden. Die Generalbundesanwaltschaft ermittelt bislang gegen 52 Verdächtige unter anderem wegen eines geplanten gewaltsamen Umsturzes der Bundesregierung. (…) Auch weil die AfD in den geplanten Putschversuch involviert ist, verharmlosten führende AfD-Politiker die „Patriotische Union“ mit ihren teils älteren Mitgliedern als „Rentnerkombo“, spielten die Gefährlichkeit der Gruppe hinunter oder bezeichneten die umfangreichen Razzien mit 3.000 Po­li­zis­t*in­nen gleich als „Inszenierung“. Warnungen vor der Gruppe und vor Reichsbürgerideologie zogen sie ins Lächerliche – trotz gefundener Feindeslisten und Waffen. In Ostthüringen wird besonders deutlich, dass Verbindungen zwischen Reichsbürgern und AfD alles andere als überraschend sind. Vielmehr gehören sie vielerorts zum Vorfeld der AfD. So auch in Zeulenroda: Haußner hatte bereits im Oktober 2021 einen Auftritt Reuß’ bei einer Veranstaltung der „Patrioten Ostthüringen“ gelobt. Als nachgewiesene Deutsche müsse man der Staatssimulation BRD den Rücken kehren, sagte er und bedankte sich auch bei einigen AfD-Mitgliedern im Publikum, wie aus einem Video auf dem Telegram-Kanal von „Freies Thüringen“ hervorgeht. Darauf machte wie auch auf Haußners Rede vom Montag ein lokaler Recherche-Account aufmerksam, der ausdauernd auf die Verbindungen zwischen AfD, Reichsbürgern, Freien Sachsen und Thüringern sowie militanten Neonazis im Kontext der Razzien hinweist. Haußner ist einer der Köpfe der Gruppe „Freies Thüringen“ und der „Patrioten Ostthüringen“, die rechtsextreme Montagsspaziergänge und Aktionen organisieren, an denen sich auch immer wieder die AfD beteiligt. An einem „Heldengedenken“ der Gruppe im November 2021 nahm der AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Lauerwald zusammen mit Reichsbürgern teil. Eine Sprecherin aus der AfD Gera bezeichnet sich gleich als Mitglied der „Patrioten Ostthüringen“ und beim Stadtfest in Bad Lobenstein stand der AfD-Landtagsabgeordnete Uwe Thrum wohl nicht zufällig mit dem „Prinzen“ und Bier am Stehtisch herum. Verbindungen zu Björn Höcke Die Connections finden sich nicht nur in Landes- und Kommunalpolitik, sondern reichen bis zum mächtigsten Mann in der AfD: Björn Höcke.

via taz: Verhältnis von AfD zu Reichsbürgern :Ein Königreich für die AfD