Auf der Flucht vor strengen Coronaregeln haben Hunderte Deutsche Paraguay als neue Heimat auserkoren. Doch die Zahl der ungeimpft einreisenden Deutschen nahm überhand – und das Land reagierte. “Oma und Opa mussten mit, obwohl sie eigentlich nicht wollten”, erzählt Kevin Neugum aus Nordrhein-Westfalen. Er und sein Bruder machen im Schwimmbad von Hohenau im Südosten Paraguays kurz eine Pause vom Tischtennis, um ein Interview zu geben. Vor vier Wochen sind sie angekommen, mit ihren Eltern und besagten Großeltern. “Unsere Jobs haben wir hingeschmissen. Jetzt wollen wir so was wie Farmer werden”, berichtet der 25-Jährige weiter, mit Freude und viel Optimismus im Gesicht. Ahnung hätten sie noch keine von Ackerbau und Viehzucht, sagt er, aber das sei ja gerade das Spannende an ihrem Abenteuer. Spurensuche in Paraguay: Sind wirklich so viele Deutsche gekommen? Und warum? Ist es die Flucht vor der Impfung? Bei dem Thema ist Kevin Neugum vorsichtig: “Wir informieren uns halt gut, lesen viel darüber und dann werden wir es machen oder eben auch nicht.” Für welche Familienmitglieder er spricht, bleibt unklar.Ein zunächst zugesagtes Gespräch mit den Eltern kommt nicht zustande, nachdem ein weiterer Deutscher das Bild betritt – ein Freund, sagen die Brüder. Der Mann ist schlecht auf deutsche Journalisten zu sprechen, beschimpft den Reporter, empört sich über schlechten Journalismus. Es fallen Begriffe, die man in Deutschland auf Pegida- oder Querdenker-Aufmärschen hören kann. (…) “Wir Paraguayer verstehen es als unsere Bürgerpflicht, uns impfen zu lassen”, sagt Noemi Jara, die rechte Hand des Bürgermeisters und Direktorin der Tourismusbehörde. “Nur mit der Impfung werden wir die Freiheit wieder erlangen, die wir gewöhnt sind. Den Ausländern würde ich auch raten, sich impfen zu lassen. Denn gerade hier in der Gegend ist das Gesundheitssystem nicht besonders gut. Und bei uns ist es so, dass Geimpfte in den Krankenhäusern Vorrang haben. Wenn da fünf Geimpfte und fünf Ungeimpfte stehen, dann werden die Geimpften bevorzugt behandelt.” (…) Am 12. Januar tritt ein neues Gesetz in Kraft, dass Einreisenden ohne permanentes Bleiberecht – und über das verfügen Neuankömmlinge in der Regel nicht – mindestens zweimal geimpft sein müssen.Für viele Impfverweigerer, deren Hab und Gut schon in Überseecontainer verpackt war, ist dies ein Schock. Alle, die mit dem Gedanken gespielt hatten, nach Paraguay auszuwandern, werden ihre Pläne ändern müssen. Und für die ungeimpften Auswanderer, die es davor noch ins Land geschafft hatten, heißt das, jeder noch so kurze Grenzübertritt wäre eine Reise ohne Wiederkehr – zumindest solange sie ungeimpft bleiben.

via tagesschau: Deutsche in Paraguay – Der kurze Traum von der Impffreiheit