Kampfsport ist zentral für Vernetzung, Rekrutierungen und natürlich auch Gewalttraining in der rechtsextremen Szene. Der Autor Robert Claus beschäftigt sich seit Jahren mit Fankulturen, Hooligans, Rechtsextremismus, Männlichkeiten, sozialen Bewegungen und Gewalt. Gerade hat er ein neues Buch veröffentlicht: Ihr Kampf – Wie Europas extreme Rechte für den Umsturz trainiert. Mit Belltower.News spricht er im Interview über den „Kampf der Nibelungen“, die Verbindungen zwischen Rechtsrock und Kampfsport und warum in Deutschland auch vorbestrafte Neonazis ein Kampfsportstudio eröffnen können. Belltower.News: Was für einen Einfluss hat das verbotene und nicht stattgefundene Kampfevent von Ende September auf die große „Kampf der Nibelungen“-Veranstaltung am Wochenende? Robert Claus: Das ist schwer vorhersehbar, aktuell erleben wir eine ziemlich dynamische Situation. Die Geschichte dahinter lautet: 2018 entwickelte sich der Kampf der Nibelungen zu einem Großevent der Szene, zur größten Kampfsportveranstaltung der militanten Neonaziszene in Westeuropa. 2019 wiederum wurde er staatlich verboten, damit brachen auch die Aktivitäten ein Stück weit ein, weil rechtliche Unsicherheit herrschte. Dieses Jahr wollten die Organisatoren das Verbot corona-konform mit einem Livestream umgehen. Es gäbe also keine 1000 Neonazis im Publikum. Die Kämpfe für den 10. Oktober sollten wahrscheinlich vorher aufgenommen werden. Aber diese Aufnahme wurde durch die Polizei am 26. September in einem Magdeburger Rockerclub verhindert. Allerdings werben die Organisatoren in den sozialen Medien weiterhin massiv für das Event. Wahrscheinlich hatten sie also einen Plan B. (…) Denn es geht um Gewalt? Wenn man sich auf Instagram umschaut oder Texte in rechtsextremen Zeitschriften liest, wird dort unverhohlen beschrieben, wie wichtig es ist, sich wehrhaft für den völkischen Kampf zu machen. Dieser Kampf ist kein Selbstzweck, es geht nicht darum, abzunehmen oder sich besser zu fühlen. Es geht darum, politische Gewalt zu trainieren. Es geht darum, sich für den Straßenkampf und den Tag X vorzubereiten – den Tag, an die liberale Demokratie gestürzt werden soll. Kampfsport ist aufgrund der erlernbaren Gewaltkompetenz wahnsinnig interessant für Neonazis und andere gewalttätige Gruppen. Das überrascht nicht. Was aber überrascht, ist, wie groß ihre Netzwerke im Kampfsport sind und dass es so wenige Präventionsansätze gibt. Wie eng ist Kampfsport mit Musik verbandelt, der anderen große Erlebniswelt im Rechtsextremismus? Die Organisatoren von Neonazi-Kampfsportevents kommen fast alle aus dem Rechtsrock. „Greifvogel“, eine Kampfsportmarke der Szene, gehört eindeutig zu „Opos Records“, einem der größten Rechtsrock-Versände in Deutschland. „Black Legion“ aus Cottbus hat den selben Vertrieb wie „Rebel Records“. Wenn es zwei Bereiche gibt, wo man ideal für die Szene rekrutieren kann, sind das Musik und Kampfsport. Beides sind ganz niedrigschwellige Angebote, bei denen es um Gewalt, Action, Männlichkeit geht. Politische Agitation ist bei solchen Events unterhaltsamer als bei einem völkischen Schulungsseminar. Zusätzlich werden die Bereiche zum Teil direkt miteinander verbunden. In der jüngeren Vergangenheit gab es mehre Konzerte oder Festivals, wo auch Kampfsport stattfand. Auch gab es Kampfsportveranstaltungen, bei denen Neonazibands aufgetreten sind

via belltower: „In rechtsextremen Kampfsportgruppen ist die Grenze zum Rechtsterrorismus fließend“