Der Staat zeigt Zähne, aber die Protestler schreien jetzt laut „Diktatur“. Dabei sind sie es, die die Freiheit und Gesundheit aller bedrohen. Eine Gegenrede. Sie brüllen jetzt „Diktatur“. Natürlich, das war zu erwarten. Nachdem das Land Berlin die Corona-Proteste am kommenden Wochenende verboten hatte, rufen Aktivisten zum „Sturm auf Berlin“ auf – oder gleich zum „Sturm des Reichstags“. Um das eigene Recht durchzusetzen, sei der Einsatz von Waffengewalt akzeptabel. Im Zweifel sei es nötig, Polizisten zu lynchen. So schreiben es Corona-Demonstranten in ihren Telegram-Gruppen, auf Facebook und Instagram. Es sind Einblicke in die Gedankenwelt derer, mit denen kaum noch zu reden ist. Es zeigt, was sie vom Rechtsstaat halten: nichts. Aber auch für alle anderen ist die Absage der Demonstrationen kein Grund zur Freude. Eine wirklich richtige Entscheidung gab es nicht für die Berliner Versammlungsbehörde: Die Absage der geplanten Demonstrationen stärkt den unsinnigen Mythos einer „Diktatur“ weiter – hätte man die Protestler also nicht besser einfach laufen lassen sollen? Die Versammlungsfreiheit ist eines der höchsten Rechtsgüter, das Verbot könnte vom Verwaltungsgericht gekippt werden, sich so in einen juristischen Sieg für die angeblichen „Querdenker“ verwandeln. (…) Die Initiative „Querdenken 711“ hatte in ihrem Hygienekonzept explizit empfohlen, keine Mund-Nasen-Schutzmasken zu tragen. Bei der ersten Demonstration wurden Polizeiansagen verlacht, Abstandsregeln ignoriert, Journalisten angegriffen. Die Behörde konnte gar nicht anders, als von einem ähnlichen Verhalten auszugehen. Der Corona-Protest ist in dieser Form eine Gesundheitsgefahr, argumentiert die Versammlungsbehörde, und in der Pandemie somit gefährlich für die öffentliche Ordnung – was für ein Verbot nach dem Versammlungsgesetz reicht, wenn es die Gerichte jetzt ebenfalls so sehen.

via tagesspiegel: Verbot der Corona-Proteste Wer den Rechtsstaat missbraucht, muss mit Widerstand rechnen

siehe auch: Psychogramm der Empörten Wie die Corona-Protestanten ticken. Die für Samstag in Berlin geplante Corona-Demo darf wahrscheinlich nicht stattfinden. Aber wer will dort eigentlich auf die Straße gehen? Eine sehr gemischte Gruppe – geeint durch gemeinsame Denkmuster. (…) Prinzip Angstporno. “Sie wollen euch und eure Familien mit einer genverändernden RNA-Giftspritze auslöschen.” Beinahe sämtliche Kommunikation rund um die Corona-Demonstration lässt sich als Angstporno betrachten. Angstlust ist ein stehender Begriff der klinischen Psychologie. Dahinter verbirgt sich ein Bewältigungsmuster, nämlich die Angstempfindung und deren Überwindung positiv umzudeuten. Deshalb sind alte Kindermärchen oft so blutrünstig, deshalb sind Grusel- und Horrorfilme so erfolgreich. (…) Das Thema Gewalt gegen Kinder und Babys wird immer wieder variiert, weil hier eine Co-Angst entstehen kann und daraus Wut: Unschuldigen wird Schlimmstes angetan. In der Extremform kann eine Angstsucht entstehen, ein regelrechter Furchtfuror. Aber an den Reaktionen lässt sich für Außenstehende Überraschendes ablesen: Nicht wenige Interessierte nehmen die extremen Aussagen eher als Unterhaltung wahr, kaum jemand glaubt alles, was behauptet wird. Es handelt sich um ein Spiel mit der Möglichkeit – denn für diese Form der Angstunterhaltung ist der tatsächliche Wahrheitsgehalt kaum relevant. Ungefähr so, wie man sich auch bei einem Film real gruseln kann, obwohl man weiß, dass kein Maskenmörder hinter der Tür lauert, sondern ein Schauspieler. Es geht um eine Verbindung aus Nervenkitzel und diffuser Protesthaltung gegen “die da oben”, deshalb fallen die vielen angstbasierten Vorhersagen, die sich als falsch erweisen, nicht ins Gewicht. Die ständigen Appelle, sich auf keinen Fall der Angst hinzugeben, sind ein guter Indikator für das Prinzip Angstporno.