Das brandenburgische Landeshauptarchiv hat 40.000 digitalisierte Akten von Menschen veröffentlicht, die als jüdisch oder “reichsfeindlich” verfolgt und ausgeplündert wurden. Angelegt wurden die Akten seinerzeit von der NS-Finanzverwaltung. Zwei Tischdecken. Drei Stühle. Ein Familienbild. Drei Scheibengardinen. 80 Reichsmark “in meinem Schrank” – handschriftliche Angaben von Elly Sara Arnheim, festgehalten auf vergilbten Seiten des Finanzamtes Moabit im Januar 1941. Auf den Blättern der sogenannten Vermögensverwertungsstelle stehen ihre letzten Habseligkeiten. Manchmal sogar Lebensmittelmittelmarken, die sie noch in der Küche hatten.   Für die Betroffenen ist es ein Offenbarungseid, eine weitere Stufe bürokratisch nüchterner Entrechtung im NS-Deutschland. Ihr Eigentum kassierte die Diktatur, das Inventar wurde geschätzt und verscherbelt. Insgesamt belaufe sich die Summe des eingezogenen Vermögens alleine in Berlin zwischen 1942 und 1945 auf umgerechnet rund vier Milliarden Euro, rechnet das Landesarchiv vor. Bei vielen Betroffenen – Jüdinnen, Juden, Roma und Sinti, Schwulen, Lesben und politisch Andersdenkenden ist das Dokument oftmals das letzte Schriftstück vor ihrer Deportation in ein Vernichtungslager. In den Quellen finden sich viele Angaben zu letztem Wohnsitz, Kindernamen, Geburtsdaten und Angaben zu Konten und sonstigem Besitz – ein Fundus für die Forschung und die Nachkommen von Opfern der NS-Zeit.Zeugnis menschenfeindlicher BürokratieIm brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam lagern Tausende solcher Akten, einst angelegt von der eigens eingerichteten Vermögensverwaltungsstelle des Finanzamtes in Berlin-Moabit.   Vor den Massendeportationen wurden im ganzen Reichsgebiet solche Behörden aufgebaut, allein in Berlin arbeiteten bis kurz vor Kriegsende etwa 200 Menschen an einer möglichst reibungslosen Eintreibung jüdischen Vermögens. Im Landeshauptarchiv wurden nun 2,5 Millionen Seiten aus den Akten der NS-Zeit von zwölf Mitarbeitern des Archivs gescannt. Finanziert wurde das Projekt vom Bund, auch um NS-Raubkunst auf die Spur zu kommen. Analog zugänglich waren die Dokumente schon immer, nun soll sich eine breitere Öffentlichkeit ein Bild davon machen können wie aufwendig und effizient Verwaltung in Deutschland an der Vernichtung von Menschen arbeitete, um es dann kühl in Verwaltungsdeutsch zu übersetzen. (…) Hinter den Aktendeckeln verberge sich die Barbarei, so der wissenschaftliche Archivar Dominic Strieder. “Wenn man sich die Akten ansieht, besteht kein Zweifel, dass die deutsche Gesellschaft umfassend von den Vorgängen wissen musste”, so Strieder. Die Gesellschaft hatte umfassende Kenntnisse über die Deportationen, Versicherungen und Banken etwa wussten bestens Bescheid, Reichskasse, Spediteure und Gestapo arbeiteten eng zusammen.   Nachdem die Menschen deportiert worden waren, wurden die Schlüssel zu ihren Wohnungen oftmals dem Hausmeister übergeben. Strieder verweist auch auf die Bedeutung der Dokumente für die Geschichte nach dem Holocaust. Die Akten seien “Knotenpunkte” auf dem Weg zu einer materiellen Entschädigung von NS-Verfolgten. Sie seien Beweisstücke.

via tagesschau: NS-Akten digitalisiert: Die Barberei unter dem Aktendeckel

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