Das neue “Jahrbuch Sexualitäten” zeigt, dass Transfeindlichkeit nicht nur im Rechtspopulismus gedeiht, sondern auch in einer sich akademisch-seriös gerierenden Publikation und unter der Fahne einer sich queer nennenden Initiative. Minderheiten waren schon immer geeignet, mal als Abladeplatz für ideologischen Müll, mal als Sündenbock, mal als Zielscheibe für Hass herzuhalten. Die reaktionären Denkmuster wiederholen sich und blühen derzeit förmlich auf, wenn es gegen trans Menschen geht. Dann ist von einer gefährlichen “Trans-Ideologie” die Rede und von einer angeblich mächtigen “Trans-Lobby”, die die Kinder und Jugendlichen in unserem Land zum Trans-Sein verführen. Wie krank müssen Gehirne sein, die sich so etwas ausdenken und fähig sind, eine zweistündige, sogenannte “Dokumentation” herzustellen, die “Transsexualität” zu einem “Zeitgeist-Phänomen” erklärt. Dass man Geld damit verdienen kann, andere zu diffamieren, mag freilich all jene freuen, die ohnehin schon die Taschen davon voll haben – wie beispielsweise der Milliardär Frank Gotthardt, Inhaber von “Nius”, einem Nachrichtenportal mit Videoplattform, wo Julian Reichelt seine neue journalistische Heimat gefunden hat. Dort erschien im Juli “Trans ist Trend. Wie eine Ideologie unser Land verändert” (queer.de berichtete). (…) Die Initiative Queer Nations hat über die Jahre hin ihren Lieblingsfeind gesucht und gefunden. Das neue “Jahrbuch Sexualitäten”, die mittlerweile achte Ausgabe seit 2016, legt nach im unverhohlenen Kampf gegen den trans Aktivismus. Auffällig und ebenso irritierend ist das Unbehagen am Queersein. Nun trägt die Initiative in ihrem Namen ausgerechnet den Begriff “queer”, aber diejenigen, die für die Politik der Initiative verantwortlich zeichnen und auch für die hier zu besprechende Publikation des Jahrbuchs, beteuern zwar jedes Mal aufs Neue ihre Diskursoffenheit, tatsächlich aber pflegen sie einen ziemlich fragwürdigen Konservativismus, weshalb Begriffe wie “Gender” in Verbindung mit “queer” und “fluide” und inzwischen auch das Präfix “cis” (als das Gegenteil von trans) zu Reizwörtern für sie wurden. (…) Und damit komme ich nun zum Thema trans im Jahrbuch und betrete vermintes Feld. Monika Barz sieht die queere Community auf dem Irrweg und unterstellt trans Menschen ein “körperloses Geschlecht”, was noch das Harmloseste ist. Ihre Ausfälle gegen die Grünen-Abgeordnete Tessa Ganserer gleichen haargenau denen von Beatrix von Storch von der AfD – Extreme berühren sich bekanntlich und reaktionär, so meine Beobachtung, gibt es in der Tat in allen politischen Farben. Dass solcher Hass allerdings in einer sich akademisch-seriös gerierenden Publikation und unter der Fahne von “Queer Nations” Platz findet, ist mindestens ein Skandal. Menschenverachtung ist keine Meinungsfreiheit. Barz gehört zu den Feministinnen, die trans mit Biologismus bekämpfen wollen und das geplante Selbst­bestimmungs­gesetz als Missbrauchsermöglichungsgesetz verteufeln: “Es geht um die sachliche Kritik an der ungeregelten Öffnung sämtlicher Frauen- und Mädchenräume für Millionen jugendlicher und erwachsener Männer in Deutschland.” Das ist keine Satire, sondern O-Ton. Karl Kraus hätte so etwas Realsatire genannt, weil sich hier der Wahnsinn namens Realität satirisch nicht mehr überbieten lässt. Dass trans Einlass gefunden hat in das gesetzliche Verbot der Konversions­therapie, beklagt Barz ebenso heftig. Was nichts anderes heißt, als dass sie trans für therapierbar hält – wohl um all die angeblich irregeleiteten Mädchen vor dem Trans-Sein zu retten.

via queer: Die gefährliche Transfeindlichkeit der Initiative Queer Nations

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