Am 10. Juli 1941 wurden Hunderte jüdische Einwohner der von den Deutschen besetzten polnischen Stadt Jedwabne bei lebendigem Leib verbrannt. Die Frage, wer für das Pogrom verantwortlich ist, polarisiert Polen bis heute. In die 1600-Einwohner-Kleinstadt Jedwabne, 170 Kilometer nordöstlich von Warschau, verirren sich Touristen selten. Aber jedes Jahr im Juli erscheinen dort Besucher, um der hier am 10. Juli 1941 ermordeten jüdischen Männer, Frauen und Kinder zu gedenken. Die meisten kommen von außerhalb, die Einwohner Jedwabnes selbst haben kaum Interesse an dem Gedenken. (…) Zum Zeitpunkt des Massakers befand sich Jedwabne erst seit wenigen Tagen unter Kontrolle der deutschen Wehrmacht. Zuvor war das Städtchen fast zwei Jahre lang von sowjetischen Truppen besetzt gewesen, nachdem Polen im September 1939 zwischen Deutschland und der UdSSR aufgeteilt worden war. Am 22. Juni 1941 hatte Hitlerdeutschland die Sowjetunion überfallen und war auch in den bis dahin sowjetischen okkupierten Teil Polens einmarschiert. Am 10. Juli 1941 wurden die Juden von Jedwabne auf den Marktplatz getrieben. Einige Männer wurden gezwungen, ein Lenin-Denkmal zu zertrümmern und einen spöttischen “Leichenzug” zu veranstalten. Dann wurden sie ermordet und mit den Überresten des Denkmals in einer Scheune am Rande der Stadt begraben. Anschließend wurden die auf dem Marktplatz versammelten restlichen jüdischen Männer sowie die Frauen und Kinder in dieselbe Scheune getrieben und das Gebäude in Brand gesetzt. Für den Mord an den Juden von Jedwabne verurteilte ein polnisches Gericht 1949 elf polnische Täter zu Gefängnisstrafen und einen zum Tode. Die Todesstrafe wurde später in eine Haftstrafe umgewandelt. Die Historiker sind sich uneins, ob und in welchem Maße die polnischen Einwohner Jedwabnes von den deutschen Besatzern zu der Mordtat angestachelt wurden. Der US-amerikanische, aus Polen stammende Historiker Jan Tomasz Gross wies im Jahr 2000 in seinem Buch “Die Nachbarn” den Polen die ganze Schuld zu – und sorgte damit für große Aufregung im Land. Er schrieb fälschlicherweise von 1600 Opfern; inzwischen weiß man, dass es ungefähr 340 waren (…) Doch das Massaker in Jedwabne war kein Einzelfall. In den östlichen Gebieten Polens, die im Sommer 1941 von Deutschland im Rahmen der Aktion “Barbarossa” besetzt wurden, fanden mehrere Pogrome gegen Juden statt. In vielen Fällen war die einheimische Bevölkerung beteiligt. Motivation: Plünderung Laut Andrzej Zbikowski vom Zentrum für Holocaustforschung in Warschau wurden die Täter durch den zu erwartenden materiellen Nutzen durch Plünderung von jüdischem Eigentum motiviert. Rache für die vermeintliche Zusammenarbeit der jüdischen Bevölkerung mit den sowjetischen Besatzern war demnach ein weiteres Motiv.

via dw: HOLOCAUST – Wer ist schuld am Tod der Juden von Jedwabne?

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