FOCUS Online liegt das Video eines schockierenden Polizeieinsatzes in München vor, der an das Drama um George Floyd in den USA erinnert. Zu sehen ist ein Bundespolizist, der sein Knie minutenlang auf die Halsregion eines 53-jährigen Mannes drückt, der verzweifelt um Luft ringt und mehr als 30 Mal um Hilfe schreit. Auslöser des Einsatzes war eine Fahrkartenkontrolle. Obwohl der Bahnfahrer ein gültiges Ticket hatte, geriet er unter Betrugsverdacht – und verfiel in Panik. 8 Minuten und 49 Sekunden. So lange dauert ein Einsatzvideo, das eine Bundespolizistin mit ihrer Body-Cam aufgenommen hat und das FOCUS Online exklusiv vorliegt. Tatort: der Münchner S-Bahnhof „Isartor“, Gleis 2. Tatzeit: 12. Februar 2020 gegen 19.10 Uhr. Der Film zeigt eine aus dem Ruder gelaufene, in einer Gewaltaktion endende Fahrkartenkontrolle – und wirft viele Fragen auf. Die Aufnahmen sind schockierend und erinnern an die Festnahme des US-Amerikaners George Floyd, auch wenn die Folgen nicht annähernd vergleichbar sind. Der 46-Jährige war am 25. Mai 2020 in Minneapolis ums Leben gekommen, als ein Polizist sein Knie auf Floyds Hals drückte. Mehrmals flehte Floyd „I can’t breathe. I can’t breathe“ (Ich kann nicht atmen). Schließlich verlor er das Bewusstsein und starb. Ein Video des Vorfalls sorgte weltweit für Aufsehen. (…) Das Bodycam-Video zeigt, dass der Beamte sein linkes Knie minutenlang auf die Halsregion des sich wehrenden Mannes setzt und sein Körpergewicht nutzt, um ihn am Boden zu fixieren. Schließlich treffen zwei weitere Bundespolizisten am Tatort ein. Jacques M., der sich noch immer nicht beruhigt hat und weiter nach Kräften wehrt, wird aus dem Bahnhof ins Polizeiauto getragen. Dabei beschimpft er die Ordnungshüter nach deren Darstellung als Nazis und Rassisten, was Jacques M. bestreitet. Weder auf der Bodycam-Aufzeichnung noch auf Überwachungsvideos des Bahnhofs sind derartige Ausdrücke dokumentiert. Auf dem Polizeirevier wird Jacques M. mit gefesselten Händen in eine Gewahrsamszelle gesteckt. Man findet bei ihm keinerlei gefährliche Gegenstände. Tests auf Alkohol und Drogen fallen negativ aus. Erst, als sein Rechtsanwalt in die Zelle kommt, findet der Franzose einigermaßen zur Ruhe. Er muss die Nacht in Haft verbringen und wird am nächsten Vormittag entlassen. (…) Jacques M. wird von Rechtsanwalt David Mühlberger vertreten, einem renommierten Strafverteidiger aus München. Gegenüber FOCUS Online sagte Mühlberger, der Polizeieinsatz am Isartor sei „eine Unverhältnismäßigkeit, wie ich sie noch nie erlebt habe“. Mühlberger: „Obwohl mein Mandant ein gültiges Ticket hatte, riefen die offenbar ungeschulten S-Bahn-Kontrolleure die Bundespolizei und meldeten eine ‚aggressive Person‘. Für die Beamten war der Bahnsteig damit von vornherein ein Tatort und mein Mandant ein Täter. So wurde er auch behandelt.“ (…) Der folgenschwere Polizeieinsatz vom 12. Februar 2020 hat ein juristisches Nachspiel. Wohl Ende August 2021 soll der Fall vor dem Amtsgericht München verhandelt werden. Doch im Zentrum der Aufklärung steht nicht die Frage, ob das Vorgehen der Beamten rechtlich in Ordnung war oder nicht. Der Angeklagte heißt Jacques M. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor: vorsätzliche Körperverletzung, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung und Beleidigung. Am Ende des Body-Cam-Videos hört man übrigens, wie die Bundespolizistin einem Kollegen in knappen Worten den Grund des Einsatzes erklärt. Dabei fällt der Satz: „Der hat ein Ticket mit ‘nem falschen Datum abgegeben.“ Diese Aussage ist falsch. Jacques M. hatte ein gültiges Ticket vorgezeigt. Der Kontrolleur sah dies – warum auch immer – anders und drohte dem Fahrgast mit Konsequenzen. Seine Fehleinschätzung markierte den Beginn einer für Jacques M. fatalen Kettenreaktion.

via focus: Schock-Video aus S-Bahnhof in München: Polizist kniet minutenlang auf Hals eines Mannes

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