Für Ministeriumsbeamte war die Polizei-Kolumne von Hengameh Yaghoobifarah von der „Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt“. Da war Seehofer bereits vorgeprescht. Die umstrittene polizeikritische Kolumne der „tageszeitung“ war nach Auffassung von Beamten im Bundesinnenministerium von Anfang an kein Fall für die Staatsanwaltschaft. Dies belegen interne Dokumente des Ministeriums, die auf Antrag des Tagesspiegels nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) jetzt erstmals freigegeben wurden. In einer „grundrechtlichen Bewertung“ kommt das Verfassungsreferat des Ministeriums demnach zu dem Schluss, dass die Aussagen in der Kolumne „All cops are berufsunfähig“ der Journalistin Hengameh Yaghoobifarah als „Meinungsäußerungen“ zu werten und „von der Pressefreiheit und der Kunstfreiheit gedeckt“ gewesen seien. „Aus hiesiger Sicht dürfte eine strafrechtliche Verurteilung unverhältnismäßig sein“. In ihrem Text hatte die Autorin mit Bezug auf Rechtsextremismus-Vorwürfe gegen Polizisten darüber sinniert, dass diese auf eine Mülldeponie gehörten, wenn die Polizei dereinst aufgelöst würde. Die Einschätzung zur Strafbarkeit Yaghoobifarahs trägt das Datum vom 23. Juni und kam damit zu spät für Innenminister Horst Seehofer (CSU). Dieser hatte, wie berichtet, bereits einen Tag zuvor in der „Bild-Zeitung“ eine Strafanzeige angekündigt, ohne nähere juristische Prüfungen abzuwarten. Zu diesem Zweck hatte Seehofer beim fachlich zuständigen Polizeireferat seines Ministeriums am 17. Juni einen Anzeigenentwurf angefordert, dem zufolge sich die Journalistin wegen Volksverhetzung strafbar gemacht haben soll. Zusätzlich wurde damals erwogen, die Chefredakteurinnen der „taz“ Barbara Junge und Katrin Gottschalk wegen Beihilfe anzuzeigen. Nach Intervention von Staatssekretär Hans-Georg Engelke hat man davon aber Abstand genommen. Doch auch das Polizeireferat teilte bereits mit Vorlage des Entwurfs am 18. Juni erste Zweifel mit: Es könne „nicht ausgeschlossen werden“, dass angesichts der Würdigung von Presse- und Meinungsfreiheit Staatsanwaltschaft und Gericht „zu einer anderen Einschätzung“ gelangten als das Ministerium. Es bestehe „die Möglichkeit, dass der Artikel als Satire gewertet und als von der Kunstfreiheit geschützt angesehen werden könnte“. Zudem wurde Diskretion angemahnt. Es sollte – mit Ausnahme der Anzeige selbst – „keine Kommunikation“ zu dem Vorgang geben.

via tagesspiegel: Seehofer contra taz-Kolumnistin Das eigene Haus zweifelte am Strafanzeigen-Plan des Innenministers

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