Bei einer wochenlangen Mahnwache wird Corona im Zentrum Berlins als eine Erfindung der globalen Eliten bezeichnet. Mittes Bezirksbürgermeister ist sauer. Es ist heiß in der Hauptstadt – auch vor dem Reichstag, wo eine mittelgroße Bühne aufgebaut ist, dahinter drei Zelte, in denen sich etwa 20 Leute aufhalten: Frauen und Männer, leger gekleidet, eher Typ Hippie und Punk. Ordner in gelben Westen bewachen die Bühne und die großen Lautsprecher-Boxen, die pausenlos ein paar wenige Touristen beschallen, die sich auf der Wiese niedergelassen haben oder um den Reichstag flanieren. Neben Musik tönen endlos lange Sprecheinlagen vom Band aus den Boxen. Darin werden die Corona-Maßnahmen kritisiert. (…) Das Bezirksamt Mitte erreichten in den vergangenen Tagen offenbar mehrere diesbezügliche Anfragen, denn die Veranstalter behaupten, dass man für die „Mahnwache für Heimat- und Weltfrieden“ eine Genehmigung bis 23.59 Uhr am 31.12.2020 habe – auch dank der guten Kooperation mit dem Bezirksamt, hieß es. Mittes grüner Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel ist mehr als verärgert. Die Versammlungsbehörde der Polizei habe den Bezirk nicht einmal über die Veranstaltung informiert, schreibt er in einer Pressemitteilung. Diese „Mahnwache für Heimat- und Weltfrieden“ sei von der Gruppe „staatenlos.info“ aus dem Umfeld der sogenannten Reichsbürger angemeldet und für mindestens vier Wochen genehmigt worden. Ein Polizeisprecher bestätigt dies, fügt aber hinzu, es sei gar nicht notwendig gewesen, die Mahnwache explizit zu genehmigen. Versammlungen müssten generell nicht von der Versammlungsbehörde genehmigt werden, sondern seien dieser lediglich anzuzeigen. (…) Auch das Plakat mit der Botschaft: „Inzwischen sind schon mehr Menschen an Corona verblödet, als gestorben“ fällt wahrscheinlich unter das hohe Gut Meinungsfreiheit. Das weiß auch Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel. Er ärgert sich laut Pressemitteilung ohnehin besonders darüber, dass man für die Kritiker der Corona-Regeln das Versammlungsrecht offensichtlich sehr weit auslege, während etwa bei einem Protest-Hungerstreik von geflüchteten Menschen auf dem Pariser Platz im Jahr 2012 nicht einmal kleine Zelte erlaubt waren. Und die entkräfteten Menschen selbst in den kalten Nächten weder Schlafsäcke noch Isomatten nutzen durften.Die Reichsbürgerszene gilt laut des Berliner Verfassungsschutzes als vielschichtig, aber durchsetzt mit Rechtsextremisten, „deren Kampf gegen den Staat einer neonazistischen und insbesondere antisemitischen Gesinnung entspringt“. Die Reichsbürgerszene lehnt die freiheitlich-demokratische Grundordnung ab, ein Teil wird als gewaltbereit eingeschätzt.

via tagesspiegel: Bezirk sei nicht informiert worden Warum seit Tagen Reichsbürger direkt vor dem Reichstag campieren dürfen