Nach dem Thüringen-Debakel blendet die Partei ihre Beziehung zu rechter Ideologie und Kontinuitäten zur NSDAP aus. Ein ehrlicher Blick tut Not. Oft ist in diesen Tagen der Turbulenzen um Thüringen zu hören, die CDU sei seit der Republikgründung im Mai 1949 „schon immer antitotalitär“ gewesen. Man habe sich durchgängig „in Distanz zu rechts wie links“ befunden, wird vor den Mikrofonen beteuert. Diese klare Linie gelte es durchzuhalten, wenn jetzt auf der einen Seite völkisches Getöse, auf der anderen Seite demokratische Sozialisten größere Gruppen um sich versammeln, wie derzeit in der besonderen Situation von Thüringen nach dem trickreichen Überfall der AfD auf das Landesparlament. Mithin laute die bewährte Parole: „Äquidistanz!“. Das soll nach kühlem Equilibrium, nach neutraler Überlegenheit klingen. Es ist doch so: Der Weg, den die Union seit 1949 bewältigt hat, war lang und serpentinenreich. Die Rückschau hilft dabei, das zu sehen. Allerdings wird beim gegenwärtigen Schon-immer-Blick in die Vergangenheit das Fernrohr umgedreht: Die Figuren von Früher wirken schön, verschwommen … und weit weg. Kaum erkennbar sind hier die Anfänge der CDU in der Nachkriegszeit, lange vor der Ära überzeugter Demokraten und Europäer wie Angela Merkel und Wolfgang Schäuble. Diese Zeit war geprägt von pseudobiederen Konservativismus, der ehemalige Nationalsozialisten in den eigenen Reihen akzeptierte oder sogar begrüßte. Dreht man das Fernrohr richtig herum und stellt die Linsen scharf, rückt einiges ins Blickfeld. (…) Rund 65 hohe Funktionsträger der CDU, 20 der CSU und 35 Politiker der FDP, waren Mitglieder der NSDAP, ehe sie ihre Ämter in der bundesrepublikanischen Demokratie antraten, als Bürgermeister, Landtagsabgeordnete, Bundestagsabgeordnete, Fraktionsvorsitzende, Ministerpräsidenten, stellvertretende Ministerpräsidenten und hochrangige Diplomaten. Ein ernüchternder Befund, der die wissenschaftliche Forschung zu Kontinuitäten in fast allen Bereichen der deutschen Gesellschaft, in Konzernen, Behörden, im Bildungswesen, der Medizin, dem Militär und im Kulturbetrieb, stützt. Und dieser Befund ist gut belegt. Die eigene Geschichte nicht mitzudenken, führt gerade in der aktuellen Situation in selbstgebastelte Sackgassen. Anders sah es nach 1949 bei der SPD aus. Dort gab es Einzelfälle von Politikern, die in der NSDAP waren
via tagesspiegel: Kontinuitäten zur NSDAP Die CDU verklärt nach Thüringen ihre rechte Vergangenheit