Dürfen CDU und FDP gemeinsam mit der rechtsradikalen AfD zur Macht greifen? Ein Gespräch mit dem ehemaligen CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz, «Twittergott» der deutschen Christdemokraten. (…) Dann kam Thüringen. Wo sich der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich mit den Stimmen der rechtsextremen AfD und der CDU zum Minister­präsidenten wählen liess. Die deutschen Medien von links bis rechts schrieben von einem «Damm­bruch». Der 73-jährige Ruprecht Polenz forderte auf Twitter Neuwahlen. Ulf Poschardt, Chefredaktor der bürgerlich-konservativen Tageszeitung «Die Welt» und nicht gerade im Verdacht, politisch links zu stehen, twitterte: «Wer sich von einem widerwärtigen Rechts­radikalen wie Björn Höcke zum Minister­präsidenten wählen lässt, hat Schande über den Liberalismus gebracht.» (…) Die Werteunion hat im Hinblick auf Thüringen genau das empfohlen, was die Bundes­kanzlerin anschliessend zu Recht als unverzeihlich bezeichnet hat. Die Werteunion empfahl, einen bürgerlichen Kandidaten aufzustellen, um mit den Stimmen der AfD den Minister­präsidenten der Linkspartei, Bodo Ramelow, abzulösen. So ist es gekommen. Deshalb und weil sich die Werteunion mit eigenen Mitglieder­beiträgen als Partei in der Partei gegen die CDU in ihrem Verständnis als Volkspartei organisiert, halte ich es für dringend und notwendig, dass die CDU einen sogenannten Unvereinbarkeits­beschluss fasst: dass man nicht gleichzeitig in zwei Parteien sein kann. So wie man nicht gleichzeitig in der SPD und in der CDU sein kann, kann man auch nicht gleichzeitig in der CDU und der Werteunion sein. Das verheerende Medienecho auf die Thüringer Ereignisse zeigt, wie gross die Risiken sind, mit denen man sich beschäftigen muss. Während die deutschen Medien von links bis rechts das Thüringer Wahlmanöver verurteilten, beurteilte einzig die «Neue Zürcher Zeitung» die Sache anders. Dass sich ein FDP-Mann von der AfD in ein Amt wählen lasse, sei kein Makel, sondern Demokratie. Wie beurteilen Sie diese Analyse aus deutscher Perspektive?
Ich bin über diese Einschätzung sehr erschrocken. Sie ignoriert historische Erkenntnisse. Die Faschisten sind dort, wo sie an die Macht gekommen sind, immer nur an die Macht gekommen, wenn die Konservativen ihnen dazu die Plattform geboten haben. Das war in Italien so. Das war in Deutschland so. Daraus resultiert eine besondere Verantwortung auch für Konservative, die Abgrenzung gegenüber faschistischen Bewegungen und Parteien klar vorzunehmen. Einen deutlichen und deutlich sichtbaren tiefen Graben zu ziehen, damit jeder weiss, wo die Grenzen für Konservative nach rechts aussen sind. Wenn man in Kauf nimmt, dass man eine Mehrheit für die eigene Politik nur mit Stimmen der AfD bekommen kann, und dann diesen Weg trotzdem geht, dann verwischt man diese Abgrenzung. Solche Manöver verwischen die Linie, die uns zu trennen hat, und leiten über zu einem wachsenden Einfluss rechtsextremer und faschistischer Kräfte, die aus solchen Hilfsdiensten Einfluss und Ansprüche ableiten.

via republik: «Die Faschisten sind nur dort an die Macht gekommen, wo die Konservativen ihnen die Plattform geboten haben»