Thüringen ist politisch blockiert, weil CDU und FDP die Linke ablehnen – auch wegen der Geschichte. Dabei gehörten auch Ost-CDU und -Liberale zum SED-Staat. Im Februar wird etwas Erstaunliches in Erfurt geschehen. Dann will sich Bodo Ramelow, der einzige linke Ministerpräsident Deutschlands, zur Wiederwahl im Thüringer Landtag stellen, und das, obwohl er annehmen muss, dass er keine Mehrheit erhält. Er spekuliert ganz offen auf den dritten Wahlgang, denn da, so besagt es die gängige Auslegung der Verfassung, ist ein Einzelkandidat auch dann gewählt, wenn er mehr Nein- als Ja-Stimmen erhält. Das ist Ramelows Chance, wieder Ministerpräsident zu werden. (…) Zudem gilt der einstimmige Beschluss des Landesvorstandes vom Tag der Landtagswahl, der eine Zusammenarbeit mit der Linken ausschließt. Begründet wird die Ablehnung zumeist inhaltlich. Die Linke wolle eine andere Gesellschaft, heißt es dann. Doch auch das historische Argument “SED-Nachfolgepartei” wiegt schwer. “Die Linke ist die umbenannte SED”, sagte etwa der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz. “Die CDU fühlt sich vor allem auch den Opfern der DDR-Diktatur verpflichtet.” Der Haken an dieser Argumentation: Sie ist bestenfalls einseitig, wenn nicht gar verlogen. Die Thüringer CDU und die FDP sind die Nachfolgerinnen von DDR-Blockparteien, die mit der Staatssicherheit kooperierten und den SED-Staat stabilisierten. Auf eine eigentümliche Weise scheint diese Tatsache irgendwo zwischen 1990 und heute verloren gegangen sein. In einer Studie, die unmittelbar nach der Wiedervereinigung von der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegeben wurde, hieß es über die DDR-Vergangenheit der CDU: “Seit der erzwungenen Umformung zu einer stalinistischen Kaderpartei im Verlauf des Jahres 1950 galt die CDU in organisatorischer und programmatischer Sicht als eine Kopie der SED.” Sie habe sich dabei durch “bedingungslose Gefolgschaft” ausgezeichnet und SED sowie Staatssicherheit als “Informationsbeschaffungs- und Beeinflussungsinstrument” gedient. Der Landesverband der FDP entstammt den beiden DDR-Parteien LDPD und NDPD, die, so wie die CDU, in der sogenannten Nationalen Front mit der SED zusammengeschlossen waren. In diesem Block standen nicht nur die Parteien unter der absoluten Kontrolle der Staatspartei, sondern auch alle Massenorganisationen, der Gewerkschaftsbund und die Kulturverbände. Ihre gemeinsame Existenzbegründung lautete: dafür zu sorgen, dass sich möglichst viele Menschen in das System einpassten. Während die CDU vor allem Christen integrieren sollte, hatte sich die NDPD um die Einbindung früherer NSDAP-Mitglieder, Vertriebener und Wehrmachtsangehöriger zu kümmern.

via zeit: Thüringen: Unter Blockflöten