Am 20. Februar 2019 war in der Kleinstadt Doberlug-Kirchhain im Süden Brandenburgs anscheinend etwas Außergewöhnliches passiert. Die „Lausitzer Rundschau“ dokumentierte das Geschehen damals für die Nachwelt so: „(pm/blu) Ein 18-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan ist am Mittwoch gegen 15.30 Uhr vom Verkaufspersonal eines Verbrauchermarktes an der Gerberstraße in Doberlug-Kirchhain beim Stehlen von Süßigkeiten im Wert von 35 Euro ertappt worden, teilt die Polizei mit.“ Diese Meldung ist nicht nur deswegen bemerkenswert, weil sie aus einem einzigen überfrachteten Satz besteht. Sie sticht vor allem durch ihr entspanntes Verhältnis zum Pressekodex ins Auge. Denn der macht eigentlich klare Vorgaben, wann Journalist:innen die Nationalität von Verdächtigen nennen sollen: In der Regel nämlich gar nicht. Ausnahmen sind laut Ziffer 12.1 des Pressekodex solche Fälle, in denen „ein begründetes öffentliches Interesse“ an der Herkunft von Verdächtigen besteht. Der Presserat gibt für diesen abstrakten Begriff auch einige Beispiele. Das Interesse ist demnach etwa dann gegeben, wenn „eine besonders schwere oder in ihrer Art oder Dimension außergewöhnliche Straftat“ vorliegt, wenn eine Tat besonders häufig von bestimmten Gruppen begangen wird, oder wenn der Verdächtige sich die „eigenständige Struktur seiner Herkunftsgruppe“ zunutze macht, indem er zum Beispiel Diebesgut in seinem Herkunftsland verkauft. Die „Lausitzer Rundschau“ schreibt zu all dem: nichts. Wir erfahren nicht, was die Herkunft des „18-jährigen Asylbewerbers aus Afghanistan“ so relevant machte, dass die Zeitung sie nannte. Sie wird wohl ihre Gründe gehabt haben – denn sonst hätte diese Meldung so nicht erscheinen dürfen. Wenn Alltagskriminalität außergewöhnlich wird Die wahrscheinlichere Erklärung ist aber, dass man die magere Zeile einfach mit allem gefüllt hat, was offiziell bekannt war. Denn die Kürzel „pm/blu“, die der Meldung vorangestellt sind, verweisen darauf, dass die Nachricht auf einer Pressemeldung der Polizei beruht. Diese wurde dann „redaktionell“ bearbeitet – ohne dabei aber offenbar den Sinn der Angaben aus journalistischer Sicht infrage zu stellen. Und tatsächlich: Im Pressearchiv der Brandenburger Polizei findet sich die zugehörige Meldung, der man Nationalität und Lebensumstände des Mannes bereits entnehmen kann. Das ist kein Einzelfall. Immer wieder kommt es vor, dass die Brandenburger Polizei ohne ersichtlichen Grund Angaben zur Herkunft von Tatverdächtigen macht, die dann von Medien aufgegriffen werden. (…) Das passt zu den Ergebnissen einer Recherche aus dem Jahr 2021. NDR und BR hatten damals Millionen Pressemeldungen aus zehn verschiedenen Bundesländern ausgewertet – aus allen Ländern also, in denen die Polizei ihre Pressearbeit in das sogenannte „Presseportal“ der dpa-Tochter „news aktuell“ einspeist. Ergebnis: Die Polizei nennt die Nationalität von Ausländer:innen deutlich häufiger als die von Deutschen, auch bei Delikten, die dazu keinen nachvollziehbaren Anlass geben. (…) In Brandenburg legt die Polizei ihre Meldungen in einem durchsuchbaren und gut sortierten Archiv ab. Übermedien hat sich das Pressearchiv der Polizei Brandenburg darum genauer angesehen. Die Datenanalyse zeigt auch hier ein ähnliches Ergebnis.

via ubermedien: Nationalitäten in Pressemeldungen – Wie die Polizei mithilfe von Medien die Realität verzerrt

Categories: Rechtsextremismus